Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der ehemals als Betriebsleiter angestellte Kläger hatte seinen Arbeitgeber verklagt. Dessen Generaldirektor, ein Herr von Z., hatte ihm versprochen, dass das von ihm bis dahin als Dienstwohnung genutzte Hausgrundstück anstelle von zwei nicht in bar auszuzahlenden Weihnachts-Gratifikationen von je 60.000 DM in sein Eigentum übergehen solle. Dieses Versprechen wiederholte der Generaldirektor mehrfach. Auf Drängen des Klägers, dies rechtlich verbindlich zu erklären, sagte er, dass dieser vollkommen beruhigt sein könne. Bei ihm, dem Herrn von Z., herrschten keine "jüdischen Gepflogenheiten", er sei von Adel.
In einem anderen Gespräch sagte er, die rechtliche Klarstellung der Eigentumsübertragung eile nicht. Das Haus sei sicher, da der Kläger ja sein festes Versprechen habe. Er habe nie sein Wort gebrochen. Als der Kläger ihn später um Übertragung und Auflassung des Hauses bat, erklärte er, der notarielle Akt könne jeden Augenblick gemacht werden. Das sei aber "zwischen uns" nicht nötig. Es sei nur eine Formsache. Sein Edelmannswort sei dem Kläger so gut wie ein Vertrag.
Es blieb bei einem leeren Versprechen. Es fand keine notarielle Beurkundung statt. Der Kläger verließ das Unternehmen im Streit und verklagte es auf Übereignung des Grundstücks, hilfsweise auf Zahlung des Grundstückswerts. Der Kläger unterlag in der Revision vor dem Reichsgericht, nachdem er noch in der Berufung gewonnen hatte. Das Reichsgericht begründete das Urteil damit, dass gegen das gesetzliche Formerfordernis des § 313 Satz 1 BGB weder der Einwand eines gegenwärtigen Verstoßes gegen Treu und Glauben, noch sonst ein Verstoß gegen die guten Sitten begründet sei.
Die Richter ließen die Argumentation des Klägers bereits daran scheitern, dass er sich nicht über die rechtliche Notwendigkeit der Form aufgrund schuldhafter Irrtumserregung durch den Generaldirektor geirrt habe. Aus diesem Grund könne er nicht der Formnichtigkeit entgegentreten. Wenn beide Teile die Notwendigkeit der Formwahrung kannten, so beruhe es auf dem Einverständnis auch des Klägers, dass mit der Beurkundung der getroffenen Abreden gewartet worden sei. Diese Irrtumsvoraussetzung könne nicht durch den tatsächlichen Irrtum darüber ersetzt werden, ob im gegebenen Fall die Zusage - wenn auch nur formlos erteilt - erfüllt werde.
Eine Abweichung von diesen Grundsätzen ergebe sich auch nicht aus dem Einwand der Arglist. Darauf hätte sich der Kläger berufen können, wenn der Beklagte bei Vertragsschluss die Form für unnötig erklärt und sich später trotzdem auf den Formmangel berufen hätte. Das war aber in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht der Fall. Auch liege kein Verstoß gegen die guten Sitten vor, aus dem sich gemäß § 826 BGB eine Verpflichtung zur Auflassung ergeben würde. Denn wenn die "unter Edelmannswort" gemachten Zusagen von einer ernstlichen Absicht getragen gewesen seien, sie zu erfüllen, so könne in ihrer "feierlichen" Erklärung für sich allein noch kein Verstoß gegen die guten Sitten gefunden werden. Ein solcher Verstoß liege erst dann vor, wenn im Rechtsstreit jene Zusagen verleugnet worden wären.
Bei dem Einwand der Formnichtigkeit nach § 313 Satz 1 BGB handele es sich aber um die zulässige Geltendmachung eines bestehenden Rechtsbehelfs. Darin könne ein zum Schadensersatz verpflichtender Verstoß gegen die guten Sitten nur unter besonderen Umständen gefunden werden: Nämlich dann, wenn dem früheren Verhalten des Beklagten die Kraft einer rechtlichen Verpflichtung beigemessen werden könne. Das sei aber nicht der Fall.
Es liege im Wesen einer gesetzlichen Formvorschrift begründet, dass, wenn die Form nicht gewahrt sei, die Erklärung des rechtsgeschäftlichen Willens nicht verpflichte. Dies gelte auch dann, wenn der Wille in besonders nachdrücklichen Worten verlautbart, in feierlicher Form bekräftigt werde. Das Erfordernis der gesetzlichen Form könne nicht durch eine von den Beteiligten gewählte sonstige Feierlichkeit des Ausdrucks ersetzt werden. Die vom Gesetz vorgeschriebene Form könne nicht auf diesem Weg überflüssig gemacht werden. Der formlosen Erklärung könne nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes eine Rechtsfolge beigemessen werden, die sie nach dem Willen des Gesetzes nicht erzeugen solle. Ansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) sowie unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die guten Sitten seien ebenfalls zu versagen.
Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1927 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechtsgeschichte geschrieben haben".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.03.2011
Quelle: ra-online, Reichsgericht (vt/we), RGZ 117,121