21.11.2024
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Dokument-Nr. 27160

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Urteil22.02.2018Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt2 Rv 157/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AuR 2018, 352Zeitschrift: Arbeit und Recht (AuR), Jahrgang: 2018, Seite: 352
  • NJ 2018, 382Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2018, Seite: 382
  • NJW 2018, 2064Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 2064
  • NStZ 2018, 472Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2018, Seite: 472
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Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt Urteil22.02.2018

Hausfrie­densbruch durch Eindringen von Tierschützern in einen Schweine­zucht­betrieb zur Dokumentation von Geset­zes­ver­stößen nicht strafbarVorliegen eines recht­fer­ti­genden Notstands

Dringen Tierschützer in einen Schweine­zucht­betrieb ein, um Verstöße gegen den Tierschutz zu dokumentieren, ist der damit verbundene Hausfrie­densbruch gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Dies gilt aber nur, wenn die Geset­zes­verstöße bekannt sind und die Behörden trotz dessen nichts unternehmen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Sachsen-Anhalt entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall wurden zwei Tierschützer wegen Hausfriedensbruch angeklagt, weil sie im Jahr 2013 in einen Schwei­ne­zucht­betrieb eindrangen, um Verstöße gegen die Tierschutz­nutz­tier­hal­tungs­ver­ordnung zu dokumentieren. Kenntnis von den Verstößen erhielten sie von einer anonymen Quelle. Zu der Maßnahme entschieden sich die Tierschützer, weil die zuständigen Behörden sich trotz erfolgter Anzeigen weigerten, etwas zu unternehmen. Die während des nächtlichen Besuchs angefertigten Bildaufnahmen wurden dem Landwirtschafts- und Umwelt­mi­nis­terium sowie dem Landes­ver­wal­tungsamt von Sachsen-Anhalt vorgelegt. Zudem erstatteten die beiden Tierschützer Strafanzeige.

Amtsgericht und Landgericht sprechen Tierschützer frei

Sowohl das Amtsgericht Haldensleben als auch das Landgericht Magdeburg sprachen die beiden Tierschützer vom Vorwurf des Hausfrie­dens­bruchs frei. Nach Auffassung des Landgerichts sei die Tat durch Nothilfe (§ 32 StGB) und Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Staats­an­walt­schaft Revision ein. Sie führte an, dass ein recht­fer­ti­gender Notstand nicht greife, weil Schweine gefährdet gewesen seien, deren Halter den Hausfrie­denbruch der Tierschützer offensichtlich nicht gewollt habe.

Oberlan­des­gericht verneint ebenfalls Strafbarkeit wegen Hausfrie­dens­bruchs

Das Oberlan­des­gericht Sachsen-Anhalt bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Staats­an­walt­schaft zurück. Die beiden Tierschützer haben sich nicht wegen Hausfrie­densbruch gemäß § 123 StGB strafbar gemacht. Da nach der zutreffenden Begründung des Landgerichts ein recht­fer­ti­gender Notstand nach § 34 StGB vorgelegen habe.

Wille des Tierhalters zum Hausfrie­densbruch unerheblich

Das Oberlan­des­gericht folgte nicht der Auffassung der Staats­an­walt­schaft, wonach ein Vorgehen gegen die Misshandlung von Tieren nur dann wegen Notstands gerechtfertigt sei, wenn der Eigentümer der Tiere dies billige. Denn dies würde zu nicht nachvoll­ziehbaren Ergebnissen führen. So dürfte etwa niemand die Scheibe eines in praller Hitze stehenden Autos einschlagen, in dem ein Hund zu ersticken droht, wenn der Tierhalter zugegen ist und das Aufschließen der Tür mit dem Hinweis verweigert, eine "kleine Abhärtung" werde dem Tier nicht schaden.

Keine Rechtfertigung wegen Nothilfe

Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe gemäß § 32 StGB komme nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts jedoch nicht in Betracht. Denn die Tierschützer seien nicht in die Schweinezuchtanlage eingedrungen, um durch die Dokumentation der Tierschutz­verstöße Gefahren von dem zum Zeitpunkt des Eindringens dort untergebrachten Tieren abwenden zu wollen. Denn die Tierschützer haben davon ausgehen müssen, dass die Tiere bis zum Abstellen der Verstöße geschlachtet werden würden.

Recht­fer­ti­gender Notstand nur bei Kenntnis der Verstöße und Weigerung der Behörden zum Einschreiten

Das Oberlan­des­gericht stellte schließlich nochmal klar, dass eine Rechtfertigung wegen Notstands nur in Betracht komme, wenn den Eingreifenden die Tatsachen bekannt seien, welche diesen rechtfertigen. Dazu reiche die bloße Vermutung, es werde generell oder gerade in diesem Betrieb gegen Vorschiften verstoßen, nicht aus. Es sei unzulässig, in fremde Rechte einzugreifen, um zu überprüfen, ob Verstöße vorliegen. Ebenso wenig könne das staatliche Gewaltmonopol umgangen werden, wenn nicht feststehe, dass die Behörden sich im konkreten Fall weigern, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Quelle: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, ra-online (vt/rb)

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