23.11.2024
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Dokument-Nr. 25574

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Urteil11.10.2017Landgericht Magdeburg28 Ns 182 Js 32201/14 (74/17), 28 Ns 74/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2018, 83Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2018, Seite: 83
  • NJW-Spezial 2018, 26Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 26
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Haldensleben, Urteil26.09.2016
ergänzende Informationen

Landgericht Magdeburg Urteil11.10.2017

Nothilfe für Tiere: Eindringen in Schwei­ne­zucht­anlage durch Mitglieder einer Tier­schutz­organisation zum Schutz der Tiere nicht strafbarRechtfertigung des Hausfrie­dens­bruchs

Dringen Mitglieder einer Tier­schutz­organisation in eine Schwei­ne­zucht­anlage ein, um Verstöße gegen den Tierschutz zu dokumentieren und diese an die Öffentlichkeit sowie zur Anzeige zu bringen, besteht keine Strafbarkeit wegen Hausfrie­densbruch gemäß § 123 StGB. Insofern ist die Tat durch Nothilfe (§ 32 StGB) und Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt. Dies hat das Landgericht Magdeburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach einem anonymen Hinweis, wonach in einer Schweinezuchtanlage in Sachsen-Anhalt gegen den Tierschutz verstoßen werde, entschieden sich zwei Mitglieder einer Tierschutzorganisation in die Anlage einzudringen und die Verstöße gegen die Tierschutz­nutz­tier­hal­tungs­ver­ordnung zu dokumentieren. Bisherige Anzeigen blieben bei den zuständigen Behörden erfolglos. Diese unternahmen trotz Kenntnis einiger Verstöße nichts. Nachdem die zwei Tierschützer in einer Nacht im Juni und Juli 2013 diverse Verstöße gegen die Tierschutz­nutz­tier­hal­tungs­ver­ordnung bildlich festgehalten hatten, informierten sie Öffentlichkeit, legten das Bildmaterial dem Landwirtschafts- und Umwelt­mi­nis­terium sowie dem Landes­ver­wal­tungsamt von Sachsen-Anhalt vor und erstatteten Strafanzeige. Aufgrund des Eindringens in die Schwei­ne­zucht­anlage wurde aber auch gegen die zwei Tierschützer Anklage wegen Hausfriedensbruch erhoben.

Amtsgericht sprach Angeklagte frei

Das Amtsgericht Haldensleben sprach die Angeklagten frei. Dagegen richtete sich die Berufung der Staats­an­walt­schaft.

Landgericht verneint ebenfalls Strafbarkeit wegen Hausfrie­dens­bruchs

Das Landgericht Magdeburg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung der Staats­an­walt­schaft zurück. Die Angeklagten seien vom Vorwurf des Hausfrie­dens­bruchs freizusprechen. Zwar haben sie den Straftatbestand verwirklicht. Jedoch sei die Tat gerechtfertigt gewesen.

Eindringen in Schwei­ne­zucht­anlage vom Nothilferecht gedeckt

Das Eindringen in die Schwei­ne­zucht­anlage sei nach Auffassung des Landgerichts nicht rechtswidrig gewesen, da das Handeln der Angeklagten als Nothilfe gemäß § 32 StGB gerechtfertigt gewesen sei. Die Tat sei erforderlich gewesen, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von einem anderen abzuwehren. Tiere seien als "einem anderen" anzusehen und damit nothilfefähig. Dies ergebe sich aus Art. 20a GG, wonach der Tierschutz als Staatsziel definiert werde und aus § 1 des Tierschutz­ge­setzes (TierSchG), wonach der Mensch für den Schutz des Lebens und des Wohlbefindens des Tieres als Mitgeschöpf verantwortlich ist. Zudem stehen Tiere gemäß § 17 TierSchG unter straf­recht­lichen Schutz.

Vorliegen eines recht­fer­ti­genden Notstands

Nach Ansicht des Landgerichts habe ferner ein recht­fer­ti­gender Notstand gemäß § 34 StGB vorgelegen. Denn das Recht der Tiere nach den Vorgaben der Tierschutz­nutz­tier­hal­tungs­ver­ordnung gehalten zu werden, habe sich zum Zeitpunkt der Tat in Gefahr befunden. Das Eindringen in die Schwei­ne­zucht­anlage sowie das Dokumentieren der Verstöße seien zudem die geeigneten und mildesten Mittel gewesen, um die Verstöße durch Einleitung rechts­förm­licher Verfahren durch die zuständigen Behörden dauerhaft abzustellen. Die Gefahr sei auch nicht anders abwendbar gewesen, da zum einen die zuständigen Stellen ohne dokumentierte Verstöße sich in der Vergangenheit geweigert hatten, tätig zu werden und zum anderen trotz Kenntnis von Verstößen keine Maßnahmen ergriffen wurden. Schließlich habe das Interesse am Tierschutz das Interesse an der Unver­letz­lichkeit der gewerblichen Räume verdrängt.

Quelle: Landgericht Magdeburg, ra-online (vt/rb)

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