Dokument-Nr. 29432
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Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Beschluss09.11.2020
Corona-Teil-Lockdown: Gaststätten und Tattoo-Studios dürfen in Schleswig-Holstein nicht öffnenWeitere Eilentscheidung nach neuerlichem Corona-Lockdown - Gaststätten und Tattoo-Studios
Mit Beschluss hat der für das Infektionsschutzrecht zuständige 3. Senat den Antrag eines Flensburger Unternehmens gegen den von der Landesregierung untersagten Betrieb von Gaststätten und gegen die untersagte Erbringung von Dienstleistungen mit Körperkontakt in Tattoo-Studios als unbegründet abgelehnt.
Es spreche vieles dafür, dass die angegriffenen Regelungen einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten würden. Wie bereits entschieden (Beschluss zum Az. 3 MR 56/20), sieht das OVG die verfahrensmäßigen Anforderungen an den Erlass einer Verordnung gewahrt, die Verordnung vom Infektionsschutzgesetz gedeckt und das Infektionsschutzgesetz selbst als verfassungskonform an.
Betriebsschließungsverbot greift nicht unverhältnismäßig in Berufsfreiheit ein
Auch das hier streitige Gaststättenbetriebs- und Dienstleistungsverbot greife nicht in unverhältnismäßiger Weise in die von Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit ein, da die zeitweise Unterbindung der Geschäftsbetriebe nur die Berufsausübung reguliere. Der von Art. 14 GG umfasste Schutz von Gewerbebetrieben greife hier nicht, da nur die Umsatz- und Gewinnchancen betroffen seien. Dessen ungeachtet seien die Grundrechtsbeschränkungen zeitlich befristet und derzeit gerechtfertigt, da sich die Pandemie-Lage gegenwärtig nochmals deutlich verschärft habe.
Betriebsschließungen geeignete Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie
An der Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Regelungen hegt das OVG keine Zweifel. Ob von den Betrieben der Antragstellerin tatsächlich kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe, hält er bereits für zweifelhaft. Entscheidend sei aber, dass auch die Einhaltung eines Hygienekonzeptes nicht gleichermaßen geeignet sei wie die vorübergehende Schließung, wenn es darum gehe, den Anstieg der Pandemie wieder beherrschbar zu machen. Denn mit jedem Besuch einer Bar oder eines Tattoo-Studios trete regelmäßig eine Erweiterung der persönlichen Kontakte durch vorübergehende Änderung des Kontaktumfelds der Kunden ein. Auch die nächtliche Sperrstundenregelung sei nicht gleich gut geeignet, um private Kontakte konsequent zu vermeiden. Schließlich dürfe das Interesse der Betreiber von Gaststätten und von Dienstleistern mit Körperkontakt auch deshalb zurückgestellt werden, weil ihnen seitens der Bundesregierung eine Entschädigung für die Umsatzeinbußen zugesagt worden sei.
Keine Verletzung der Gleichbehandlung wegen Zulassung „wesensähnlicher Gewerbe
Eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen der Zulassung „wesensähnlicher Gewerbe“ erkannte das OVG nicht. Gegenüber der Untersagung des Gaststättenbetriebs sei sowohl die Freistellung von Betriebskantinen als auch die zugelassene Bewirtung von Beherbergungsgästen sachlich gerechtfertigt. Denn beide dienten der Grundversorgung solcher Personen, bei denen Kontaktbegegnungen aus beruflichen Gründen ohnehin zugelassen seien. Ähnliches gelte für die Zulassung von Autobahnraststätten und Autohöfen, die der Grundversorgung einschließlich der Sanitärbedarfe von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern dienten; dies wiederum liege im Interesse des Warenverkehrs. Beim Außerhausverkauf schließlich sei die Infektionsgefahr im Vergleich zum Gaststättenbetrieb als geringer zu bewerten, da die Gaststätte nur einzeln zur Abholung betreten werden dürfe. Der Außerhausverkauf sei mit volk-wirtschaftlichen Interessen angemessen begründet.
Tattoo-Studios nicht mit medizinischer und pflegerisch notwendiger Dienstleistungen vergleichbar
Die im Gegensatz zu Tattoo-Studios erfolgte Freistellung medizinischer und pflegerisch notwendiger Dienstleistungen sowie von Friseurleistungen sei ebenfalls gerechtfertigt. Erstere dienten dem öffentlichen Interesse an einer Gesundheitsfürsorge und seien mit Tattoo-Studios schon nicht vergleichbar. Friseurleistungen würden zwar ebenso wie die des Tätowierens durch Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern über längere Zeit erbracht. Entscheidender Unterschied sei aber, dass Friseurleistungen zu den Grundbedürfnissen eines Menschen zählten, die auch in außergewöhnlichen Gesundheitssituationen gewährleistet werden sollten. Dies ergebe sich aus den sozialhilferechtlichen Vorschriften über den Regelbedarf, nach denen Friseurleistungen zum gesetzlich definierten Existenzminimum zählten. Dies gelte nicht für die Leistungen des Tattoo-Gewerbes.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.11.2020
Quelle: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (pm/pt)
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