23.11.2024
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Dokument-Nr. 29432

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Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Beschluss09.11.2020

Corona-Teil-Lockdown: Gaststätten und Tattoo-Studios dürfen in Schleswig-Holstein nicht öffnenWeitere Eilentscheidung nach neuerlichem Corona-Lockdown - Gaststätten und Tattoo-Studios

Mit Beschluss hat der für das Infek­ti­o­ns­schutz­recht zuständige 3. Senat den Antrag eines Flensburger Unternehmens gegen den von der Landesregierung untersagten Betrieb von Gaststätten und gegen die untersagte Erbringung von Dienst­leis­tungen mit Körperkontakt in Tattoo-Studios als unbegründet abgelehnt.

Es spreche vieles dafür, dass die angegriffenen Regelungen einer rechtlichen Überprüfung im Haupt­sa­che­ver­fahren standhalten würden. Wie bereits entschieden (Beschluss zum Az. 3 MR 56/20), sieht das OVG die verfah­rens­mäßigen Anforderungen an den Erlass einer Verordnung gewahrt, die Verordnung vom Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz gedeckt und das Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz selbst als verfas­sungs­konform an.

Betrie­bs­schlie­ßungs­verbot greift nicht unver­hält­nismäßig in Berufsfreiheit ein

Auch das hier streitige Gaststät­ten­be­triebs- und Dienst­leis­tungs­verbot greife nicht in unver­hält­nis­mäßiger Weise in die von Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit ein, da die zeitweise Unterbindung der Geschäfts­be­triebe nur die Berufsausübung reguliere. Der von Art. 14 GG umfasste Schutz von Gewer­be­be­trieben greife hier nicht, da nur die Umsatz- und Gewinnchancen betroffen seien. Dessen ungeachtet seien die Grund­rechts­be­schrän­kungen zeitlich befristet und derzeit gerechtfertigt, da sich die Pandemie-Lage gegenwärtig nochmals deutlich verschärft habe.

Betrie­bs­schlie­ßungen geeignete Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie

An der Verhält­nis­mä­ßigkeit der angegriffenen Regelungen hegt das OVG keine Zweifel. Ob von den Betrieben der Antragstellerin tatsächlich kein erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko ausgehe, hält er bereits für zweifelhaft. Entscheidend sei aber, dass auch die Einhaltung eines Hygie­ne­kon­zeptes nicht gleichermaßen geeignet sei wie die vorübergehende Schließung, wenn es darum gehe, den Anstieg der Pandemie wieder beherrschbar zu machen. Denn mit jedem Besuch einer Bar oder eines Tattoo-Studios trete regelmäßig eine Erweiterung der persönlichen Kontakte durch vorübergehende Änderung des Kontaktumfelds der Kunden ein. Auch die nächtliche Sperr­stun­den­re­gelung sei nicht gleich gut geeignet, um private Kontakte konsequent zu vermeiden. Schließlich dürfe das Interesse der Betreiber von Gaststätten und von Dienstleistern mit Körperkontakt auch deshalb zurückgestellt werden, weil ihnen seitens der Bundesregierung eine Entschädigung für die Umsatzeinbußen zugesagt worden sei.

Keine Verletzung der Gleich­be­handlung wegen Zulassung „wesensähnlicher Gewerbe

Eine Verletzung des Rechts auf Gleich­be­handlung (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen der Zulassung „wesensähnlicher Gewerbe“ erkannte das OVG nicht. Gegenüber der Untersagung des Gaststät­ten­be­triebs sei sowohl die Freistellung von Betrie­bs­kantinen als auch die zugelassene Bewirtung von Beher­ber­gungs­gästen sachlich gerechtfertigt. Denn beide dienten der Grundversorgung solcher Personen, bei denen Kontakt­be­geg­nungen aus beruflichen Gründen ohnehin zugelassen seien. Ähnliches gelte für die Zulassung von Autobahn­rast­stätten und Autohöfen, die der Grundversorgung einschließlich der Sanitärbedarfe von Kraft­fah­re­rinnen und Kraftfahrern dienten; dies wiederum liege im Interesse des Warenverkehrs. Beim Außer­haus­verkauf schließlich sei die Infek­ti­o­ns­gefahr im Vergleich zum Gaststät­ten­betrieb als geringer zu bewerten, da die Gaststätte nur einzeln zur Abholung betreten werden dürfe. Der Außer­haus­verkauf sei mit volk-wirtschaft­lichen Interessen angemessen begründet.

Tattoo-Studios nicht mit medizinischer und pflegerisch notwendiger Dienst­leis­tungen vergleichbar

Die im Gegensatz zu Tattoo-Studios erfolgte Freistellung medizinischer und pflegerisch notwendiger Dienst­leis­tungen sowie von Friseur­leis­tungen sei ebenfalls gerechtfertigt. Erstere dienten dem öffentlichen Interesse an einer Gesund­heits­fürsorge und seien mit Tattoo-Studios schon nicht vergleichbar. Friseur­leis­tungen würden zwar ebenso wie die des Tätowierens durch Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern über längere Zeit erbracht. Entscheidender Unterschied sei aber, dass Friseur­leis­tungen zu den Grund­be­dürf­nissen eines Menschen zählten, die auch in außer­ge­wöhn­lichen Gesund­heits­si­tua­tionen gewährleistet werden sollten. Dies ergebe sich aus den sozia­l­hil­fe­recht­lichen Vorschriften über den Regelbedarf, nach denen Friseur­leis­tungen zum gesetzlich definierten Existenzminimum zählten. Dies gelte nicht für die Leistungen des Tattoo-Gewerbes.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (pm/pt)

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