18.10.2024
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Dokument-Nr. 22916

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Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Urteil27.04.2015

Fehlende familiäre Beziehungen zur Mutter befreit Kind nicht von Pflicht zur Tragung der Bestat­tungs­kostenBefreiung von Kosten­tragungs­pflicht setzt schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen voraus

Ein Kind wird nicht dadurch von seiner Pflicht zur Übernahme der Bestat­tungs­kosten befreit, weil es seit Jahren keine familiäre Beziehung zur verstorbenen Mutter hatte. Die Befreiung von der Kosten­tragungs­pflicht aufgrund einer unbilligen Härte setzt vielmehr ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Kind voraus. Dies geht aus einer Entscheidung des Ober­verwaltungs­gerichts Schleswig-Holstein hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall sollte der Sohn neben seinen Geschwistern die Kosten für die Bestattung der im April 2012 verstorbenen Mutter in Höhe von ca. 1.900 EUR tragen. Damit war dieser aber nicht einverstanden. Dies hatte folgenden Hintergrund: Aufgrund der Alkoho­l­ab­hän­gigkeit der Mutter kam der Sohn in ein Kinderheim. Aus diesem wurde er durch den türkischen Vater herausgerissen und in die Türkei verbracht worden. Er musste dort ein Jahrzehnt ohne Türkisch-Kenntnisse verbleiben. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe der Sohn nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt. Diese habe auch nie versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen. Infolge der Ereignisse in der Kindheit und Jugend sei er traumatisiert und verstehe daher nicht, warum er die Bestattungskosten tragen müsse. Da die zuständige Gemeinde die vergangenen Geschehnisse für unbeachtlich hielt, kam der Fall schließlich vor Gericht.

Verwal­tungs­gericht verneinte Kosten­tra­gungs­pflicht

Das Verwal­tungs­gericht Schleswig verneinte eine Kosten­tra­gungs­pflicht des Sohns der Verstorbenen. Dieser sei zwar an sich bestat­tungs­pflichtig, die Kostentragung stelle aber eine unbillige Härte dar. Es sei weitgehend anerkannt, dass gestörte Famili­en­ver­hältnisse im Ausnahmefall dazu führen können, von der Pflicht zur Tragung der Bestat­tungs­kosten abzusehen. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen. Gegen diese Entscheidung legte die Gemeinde Berufung ein.

Oberver­wal­tungs­gericht bejaht Pflicht zur Tragung der Bestat­tungs­kosten

Das Oberver­wal­tungs­gericht Schleswig-Holstein entschied zu Gunsten der Gemeinde und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der bestat­tungs­pflichtige Sohn sei zu Recht zu den Kosten der Bestattung seiner verstorbenen Mutter herangezogen worden. Den Angehörigen eines Verstorbenen obliege es vorrangig für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen, da sie im Sinne einer Solida­r­ge­mein­schaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen untereinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit dem Verstorbenen näher stehen als die Allgemeinheit.

Kostentragung trotz fehlender familiärer Beziehung keine unbillige Härte

Die Heranziehung eines Bestat­tungs­pflichtigen zu den Bestat­tungs­kosten könne zwar eine unbillige Härte darstellen, so das Oberver­wal­tungs­gericht, wenn die Famili­en­ver­hältnisse so nachhaltig gestört seien, dass die Übernahme der Bestat­tungs­kosten für den Pflichtigen als grob unbillig anzusehen sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang dieser nach den zivil­recht­lichen Grundsätzen dem Verstorbenen gegenüber unter­halts­pflichtig und ob die Famili­en­ver­hältnisse intakt gewesen seien. Der bloße Umstand, dass sich Famili­en­mit­glieder räumlich und emotional voneinander entfernt haben und die traditionellen familiären Beziehungen nicht mehr unterhalten, führe nicht zur Anerkennung einer besonderen Härte. Unerheblich sei auch, ob sich der Verstorbene um sein Kind gekümmert habe oder nicht. Grundlage für die Bestat­tungs­pflicht sei gerade nicht die Solida­r­ge­mein­schaft der Familie. Eine unbillige Härte sei dann anzunehmen, wenn dem Verstorbenen ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten zur Last gelegt werden könne (Bsp.: schwere Straftaten, wie Tötungsversuch oder sexueller Missbrauch). So habe der Fall hier hingegen nicht gelegen. Die fehlende familiäre Beziehung zwischen Mutter und Sohn habe nicht zu einer unbilligen Härte geführt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (vt/rb)

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