18.10.2024
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Dokument-Nr. 29505

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss29.10.2020

Rechtsschutz eines Beamten bereits gegen amtsärztliche Untersuchungs­anordnung möglichAusschluss einer isolierten Anfechtung mit der verfas­sungs­recht­licher Rechts­schutz­ga­rantie nicht in Einklang zu bringen

Eine amtsärztliche Untersuchungs­anordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten kann nicht nur im Rahmen des Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungs­verfügung inzident gerichtlich überprüft werden, sondern ist auch isoliert angreifbar. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eil­rechts­schutz­ver­fahren, das damit der gegenteiligen Auffassung des Bundes­verwaltungs­gerichts nicht folgte.

Ein Polizeibeamter des Landes Rheinland-Pfalz wurde bei einer nächtlichen Polizei­kon­trolle angetroffen, als er mit seinem Wagen im Zustand absoluter Fahrun­tüch­tigkeit unterwegs war. Die Blutprobe ergab eine Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,79 Promille; zudem wurden Benzodiazepine in seinem Blut festgestellt. Nach einer Untersuchung durch den polizei­ärzt­lichen Dienst ordnete das Land gegenüber dem Polizeibeamten eine amtsärztliche fachpsych­ia­trische Untersuchung an. Hiergegen erhob der Beamte Widerspruch und beantragte beim Verwal­tungs­gericht Koblenz, ihn von der angeordneten Untersuchung vorläufig freizustellen. Das Verwal­tungs­gericht lehnte den Eilantrag als unzulässig ab, weil die Unter­su­chungs­a­n­ordnung nicht isoliert angreifbar sei.

OVG: Unter­su­chungs­a­n­ordnung isoliert angreifbar

Auf die Beschwerde des Antragstellers hob das Oberver­wal­tungs­gericht den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts auf und gab dem Eilantrag statt. Der Eilantrag sei zulässig. Entgegen der Auffassung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, der die Vorinstanz gefolgt sei, stehe der Zulässigkeit des Eilantrags gegen die amtsärztliche Unter­su­chungs­a­n­ordnung nicht die Regelung des § 44 a Satz 1 der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO) entgegen, wonach Rechtsbehelfe gegen Verfah­rens­hand­lungen nicht isoliert, sondern nur mit den gegen die Sachent­scheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der Unter­su­chungs­a­n­ordnung um eine Verfah­rens­handlung handele. Jedenfalls greife vorliegend die Ausnah­me­re­gelung des Satzes 2 des § 44 a VwGO, wonach Verfah­rens­hand­lungen, die vollstreckt werden können, isoliert angreifbar seien. Bei derartigen Verfah­rens­hand­lungen wäre der Ausschluss einer isolierten Anfechtung mit der verfas­sungs­recht­lichen Rechts­schutz­ga­rantie nicht in Einklang zu bringen, weil bis zur Sachent­scheidung bereits der Eintritt eines irreparablen Zustandes drohe.

Begriff der vollstreckbaren Verfah­rens­hand­lungen umfasst auch Ahndung von Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen

Dabei umfasse der Begriff der vollstreckbaren Verfah­rens­hand­lungen auch solche, die zwar nicht mit Zwangsmitteln vollstreckbar seien, aber mit Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen geahndet werden könnten. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Betroffenen nicht zuzumuten sei, eine streitige Frage in ein Straf- oder Bußgeld­ver­fahren hineinzutragen, um sie dort erstmals einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, d.h. die Klärung verwal­tungs­recht­licher Zweifelsfragen "auf der Anklagebank" erleben zu müssen. Gleiches müsse für das Diszi­pli­na­r­ver­fahren gelten, in dessen Rahmen Sanktionen möglich seien, die in ihrer Wirkung einem Bußgeld oder einer Strafe nahekommen.

Trunken­heitsfahrt rechtfertigt nicht Anordnung einer fachpsych­ia­trischen Untersuchung

Der Eilantrag habe auch in der Sache Erfolg. Die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung, sich einer fachpsych­ia­trischen Untersuchung zu unterziehen, genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, insbesondere nicht dem stets zu beachtenden Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Die Trunkenheitsfahrt rechtfertige nicht die angeordnete Untersuchung. Mangels weiterer Tatsachen für eine Alkoholsucht sei die Untersuchung nicht erforderlich. Als milderes Mittel könnten z.B. zunächst unangekündigte Alkoholtests zu Beginn und während des Dienstes durchgeführt werden. Der Konsum des Beruhi­gungs­mittels Diazepam könne gleichfalls die angeordnete Untersuchung nicht rechtfertigen, da das Medikament ärztlich verordnet worden sei.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/ab)

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