21.11.2024
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Dokument-Nr. 31773

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Urteil17.05.2022Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen9 A 1019/20
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil17.05.2022

Falsche Gebüh­ren­ka­l­ku­lation: Abwasser­gebühren­kalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick zu hochSatzung über die Erhebung von Abwas­ser­ge­bühren der Stadt Oer-Erkenschwick aus November 2016 unwirksam

Die Abwasser­gebühren­kalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick für das Jahr 2017 ist rechtswidrig, weil die konkrete Berechnung von kalku­la­to­rischen Abschreibungen und Zinsen zu einem Gebüh­ren­auf­kommen führt, das die Kosten der Anlagen überschreitet. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht in einem Musterverfahren entschieden und damit seine langjährige Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwas­ser­ge­bühren geändert.

Ein Bürger aus Oer-Erkenschwick hatte gegen die Festsetzung von Schmutz- und Regen­was­ser­ge­bühren für das Jahr 2017 in Höhe von 599,85 Euro geklagt. Das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen wies die Klage im Jahr 2020 ab.

Gebühren insgesamt um rund 18 % überhöht

Die Berufung des Klägers hatte nun Erfolg - das Oberver­wal­tungs­gericht hob den Gebüh­ren­be­scheid auf. Die Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren in der Stadt Oer-Erkenschwick aus November 2016, die dem Gebüh­ren­be­scheid für 2017 zugrunde liegt, ist unwirksam. Die Gebühren waren insgesamt um rund 18 % überhöht. Neben einem geringfügigen Rechenfehler (doppelter Ansatz der Abschreibungen für Fahrzeuge und Geräte) liegen nach der nun erfolgten Änderung der bisherigen, 1994 begründeten Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts zwei grundlegende Kalku­la­ti­o­ns­fehler vor. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung der Entwäs­se­rungs­anlagen mit ihrem Wieder­be­schaf­fungs­zeitwert (Preis für die Neuanschaffung einer Anlage gleicher Art und Güte) sowie einer kalku­la­to­rischen Verzinsung des Anlagevermögens mit dem Nominalzinssatz (einschließlich Inflationsrate) ist unzulässig. An der bisherigen anderslautenden Rechtsprechung wird nicht mehr festgehalten.

Zweck der Gebüh­ren­ka­l­ku­lation zu beachten

Diese Kombination von Abschreibungen und Zinsen ist nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten zwar betrie­bs­wirt­schaftlich vertretbar, worauf das Kommu­na­l­ab­ga­ben­gesetz zunächst abstellt. Aus der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ergibt sich aber der Zweck der Gebüh­ren­ka­l­ku­lation, durch die Abwas­ser­ge­bühren nicht mehr als die dauerhafte Betrie­bs­fä­higkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwas­ser­be­sei­tigung sicherzustellen. Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Erfüllung der Aufgaben der Abwas­ser­be­sei­tigung erforderlich sind. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wieder­be­schaf­fungs­zeit­wertes sowie einer kalku­la­to­rischen Nomina­l­ver­zinsung widerspricht diesem Kalku­la­ti­o­nszweck, weil er einen doppelten Infla­ti­o­ns­aus­gleich beinhaltet.

Zinssatz von 6,52 % nicht mehr gerechtfertigt

Außerdem ist der von der Stadt in der Gebüh­ren­ka­l­ku­lation - ebenfalls auf Basis der bisherigen Rechtsprechung - angesetzte Zinssatz von 6,52 % sachlich nicht mehr gerechtfertigt. Der hier gewählte einheitliche Nominalzinssatz für Eigen- und Fremdkapital, der aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissi­ons­renditen für festver­zinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zuzüglich eines pauschalen Zuschlags von ,5 Prozentpunkten für höhere Fremd­ka­pi­ta­l­zinsen ermittelt wurde, geht über eine angemessene Verzinsung des für die Abwas­ser­be­sei­ti­gungs­anlagen aufgewandten Kapitals hinaus. Das Oberver­wal­tungs­gericht hält es bei einer einheitlichen Verzinsung für angemessen, den zehnjährigen Durchschnitt dieser Geldanlagen ohne einen Zuschlag zugrunde zu legen. Daraus ergäbe sich für das Jahr 2017 bei der von der Stadt Oer-Erkenschwick ansonsten gewählten Methode ein Zinssatz von 2,42 %.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/ab)

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