18.10.2024
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Dokument-Nr. 26692

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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss02.11.2018

Laden­öff­nungs­gesetz NRW muss einschränkend ausgelegt werdenDurch das Grundgesetz gewährleistetes Mindestniveau des Sonn- und Feier­tags­schutzes muss gewahrt bleiben

Das Ober­verwaltungs­gericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die in Nordrhein-Westfalen eingeführten Neuregelung über verkaufsoffene Sonntage eingeschränkt auszulegen ist, um das durch das Grundgesetz gewährleistete Mindestniveau des Sonn- und Feier­tags­schutzes zu wahren.

Im zugrunde liegenden Rechtstreit ging es um die Frage, ob die Durchführung eines kleinen Kunst­hand­wer­ker­markts zu St. Martin ("Roisdorfer Martinimarkt") auf dem Parkplatz eines großen Möbelmarkts in Bornheim die Öffnung zweier an dem Parkplatz liegender Möbelmärkte am Sonnta­g­nach­mittag, den 4. November 2018 rechtfertigte.

Gesetzliche Neuregelung soll stationären Einzelhandel im Wettbewerb mit Online-Handel und benachbartem Handel im Ausland stärken

Das Verwal­tungs­gericht Köln hatte dies verneint. Das Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen schloss sich dieser Auffassung an. In der Begründung führte das Gericht Grundsätzliches zu der durch das "Entfes­se­lungspaket I" in Nordrhein-Westfalen eingeführten Neuregelung über verkaufsoffene Sonntage aus und präzisierte die Voraussetzungen, unter denen die Sonn- und Feier­tags­öffnung zulässig ist. Mit dem Gesetz sollte der stationäre Einzelhandel durch erweiterte Möglichkeiten zur Freigabe sonntäglicher Ladenöffnungen im zunehmenden Wettbewerb insbesondere mit dem Online-Handel sowie mit Konkurrenz aus dem benachbarten Ausland gestärkt werden. Neben der schon bisher gegebenen Möglichkeit, an Sonn- und Feiertagen bei örtlichen Veranstaltungen auch Ladenöffnungen zu gestatten, erlaubt die Neuregelung deshalb unter anderem Öffnungen, die "dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzel­han­del­s­an­gebots" oder "zentraler Versor­gungs­be­reiche dienen", die "der Belebung der Ortszentren dienen" oder die "die überörtliche Sichtbarkeit der jeweiligen Kommune steigern". Zugleich ist die Zahl zulässiger verkaufsoffener Sonntage auf höchstens acht und innerhalb jeder Gemeinde insgesamt nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertage erhöht worden.

Gemeinden müssen Gründe für Ladenöffnung im Einzelfall ausreichend prüfen

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat nach ausführlicher Würdigung der Entste­hungs­ge­schichte des Gesetzes in Fortführung seiner Rechtsprechung klargestellt, dass das durch das Grundgesetz gewährleistete Mindestniveau des Sonn- und Feier­tags­schutzes nur gewahrt werde, wenn die jetzt sehr weit gefassten gesetzlichen Voraussetzungen für Laden­öff­nungs­freigaben an Sonn- und Feiertagen einschränkend ausgelegt würden. Das stets zu wahrende Regel-Ausnahme-Verhältnis beim Sonn- und Feiertagsschutz werde nicht schon eingehalten, wenn einer der gesetzlich bezeichneten Sachgründe in allgemeiner Weise gegeben sei, weil dies - auch nach Einschätzung des Gesetzgebers - "regelmäßig" der Fall sei. Zusätzlich habe jede Gemeinde im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und zu begründen, ob die für die Ladenöffnung angeführten Gründe ausreichend gewichtig seien, um eine Ausnahme von der Arbeitsruhe am Sonntag zu rechtfertigen. Dies sei auch aus Gründen der Wettbe­wer­bs­neu­tralität unter Gleich­heits­ge­sichts­punkten geboten. Ausgehend davon hat das Gericht die besonderen sachlichen Voraussetzungen, die das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Sonntagsarbeit wahren können, anhand der gesetzlichen Voraussetzungen präzisiert. Bei örtlichen Veranstaltungen gelte weiterhin, dass diese gegenüber der typischen werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen müssten, auch wenn nicht notwendig eine Besucher­prognose anzustellen sei. Deshalb müsse sich die Gemeinde in einer für die gerichtliche Überprüfung nachvoll­ziehbaren - dokumentierten - Weise Klarheit über Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung verschaffen.

Gemeinden müssen schlüssiges Gesamtkonzept für Sonntags­öff­nungen vorlegen

Das Bestreben des Gesetzgebers, einen vielfältigen stationären Einzelhandel angesichts eines sich verschärfenden Wettbewerbs zu sichern und zu stärken, reiche ebensowenig wie das generelle Konkur­renz­ver­hältnis zum Online-Handel in seiner Allgemeinheit aus, weil diese in grundsätzlich gleicher Weise ganzjährig für den Einzelhandel einer jeden Kommune bestünden. Damit das Interesse an einem vielfältigen Einzelhandel wenigstens in Kombination mit anderen Sachgründen das erforderliche Gewicht für eine Durchbrechung des Sonn- und Feier­tags­schutzes erlangen könne, müssten besondere örtliche Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlent­wick­lungen oder stand­ort­be­dingte außergewöhnlich ungünstige Wettbe­wer­bs­be­din­gungen) belegbar gegeben sein, die eine Durchbrechung der Arbeitsruhe sowie eine Begünstigung bestimmter Verkaufsstellen auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wettbe­wer­bs­neu­tralität rechtfertigen könnten. Hierzu bedürfe es zudem eines schlüssig verfolgten gemeindlichen Gesamtkonzepts, im Rahmen dessen verkaufsoffene Sonntage geeignet erschienen, den damit verfolgten legitimen Zielen jenseits des Umsat­z­in­teresses des Handels zu dienen.

OVG verweist auf verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat außerdem darauf hingewiesen, dass die danach erforderliche Gewichtung von Sachgründen für geplante Verkaufs­stel­len­öff­nungen anhand der Rechtsprechung ausreichend rechtssicher ohne unver­hält­nis­mäßigen Verwal­tungs­aufwand möglich sei. Rechts­un­si­cherheit und ein unver­hält­nis­mäßiger Verwal­tungs­aufwand würden vor allem dort erzeugt, wo die verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben nicht wirklich umgesetzt würden oder Kommunen versuchten, mit Hilfe der gesetzlich neu geschaffenen Sachgründe den verfas­sungs­recht­lichen Rahmen zulässiger Sonntags­öff­nungen maximal auszuschöpfen.

Stand­ort­be­dingte Wettbewerbslage für betroffenen Möbelhandel durch Wegfall eines Konkurrenten verbessert

Die Freigabe der Ladenöffnung zweier großer Möbelmärkte mit großer überörtlicher Kaufkraft­bindung war danach weder wegen des dort stattfindenden kleinen Martinimarkts zulässig, noch wegen der Absicht, den örtlichen Möbelstandort zu stärken und überörtlich sichtbar zu machen. Es bestünden keine Zweifel, dass der Martinimarkt gerade deshalb im Gewerbegebiet durchgeführt werde, um eine sonntägliche Öffnung zweier Möbelmärkte zu ermöglichen. Auch Anzeichen für örtliche Fehlent­wick­lungen oder ausgleichs­be­dürftige besondere Stand­ort­nachteile seien angesichts des von einem Markt erst vor wenigen Jahren gewählten strategisch günstigen Standorts im Großraum Köln/Bonn nicht ersichtlich. Die stand­ort­be­dingte Wettbewerbslage für den Möbelhandel im Stadtgebiet von Bornheim habe sich durch die Schließung eines Bonner Tradi­ti­o­ns­mö­bel­hauses im vergangenen Jahr nicht verschlechtert, sondern wegen des Wegfalls eines nahe gelegenen Konkurrenten verbessert.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online

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