23.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil04.09.2018

Ausländer-Wohnsitz­regelungs­verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen teilweise nichtigBestimmung des Landes nicht mit Bundesrecht vereinbar

Das Ober­verwaltungs­gericht Nordrhein-Westfalen hat eine Wohnsitzauflage aufgehoben, mit welcher die Bezirks­re­gierung Arnsberg einen irakischen Flüchtling verpflichtet hatte, in Kerpen seinen Wohnsitz beizubehalten. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die zugrunde gelegte Vorschrift der nordrhein-westfälischen Ausländer-Wohnsitz­regelungs­verordnung nicht mit Bundesrecht vereinbar sei.

Dem Kläger des zugrunde liegenden Falls war im März 2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden. Daraufhin wurde er im April 2017 verpflichtet, seinen Wohnsitz für längstens drei Jahre in Kerpen zu nehmen. Dieser Stadt war er bereits im Rahmen seines Asylverfahrens zugewiesen.

Länder dürfen keine inhaltlichen Vorgaben zur Verpflichtung der Wohnsitznahme festlegen

Das Verwal­tungs­gericht Köln hatte die Klage des Irakers gegen die Wohnsitzauflage abgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hatte er beim Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass zwar vieles dafür spreche, dass § 12 a Abs. 1 Aufent­halts­gesetz (AufenthG) Flüchtlinge - vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen - aus integra­ti­o­ns­po­li­tischen Gründen zulässigerweise verpflichte, ihren Wohnsitz in dem Bundesland beizubehalten, in das sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens zugewiesen waren. Rechtswidrig und nichtig sei aber die landes­rechtliche Bestimmung in § 5 Abs. 4 der Ausländer-Wohnsitz­re­ge­lungs­ver­ordnung (AWoV), wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewiesen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten. § 12 a Abs. 2 bis 4 AufenthG regelten die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort. Die Länder seien insoweit durch § 12 a Abs. 9 AufenthG nicht zu inhaltlichen Vorgaben, sondern lediglich zu näheren Regelungen hinsichtlich der Organisation und des Verfahrens der Verpflichtung zur Wohnsitznahme ermächtigt. Diesen Ermäch­ti­gungs­rahmen habe das Land mit § 5 Abs. 4 AWoV überschritten, wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewiesen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten. Die Bestimmung sei auch im Übrigen nicht mit Bundesrecht vereinbar. § 12 a Abs. 3 AufenthG schreibe vor, dass die Wohnsitzauflage unter Berück­sich­tigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erlassen werde. Dieses Erfordernis werde durch § 5 Abs. 4 AWoV ausgeblendet.

§ 12 a Aufent­halts­gesetz - Wohnsitz­re­gelung

(1) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebens­ver­hältnisse der Bundesrepublik Deutschland ist ein Ausländer, der als Asylbe­rech­tigter, Flüchtling im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutz­be­rech­tigter im Sinne von § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist oder dem nach § 22, § 23 oder § 25 Absatz 3 erstmalig eine Aufent­halt­s­er­laubnis erteilt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufent­halt­s­er­laubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnah­me­ver­fahrens zugewiesen worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindestens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durch­schnitt­lichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozial­ge­setzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufs­aus­bildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbil­dungs­ver­hältnis steht.

(2) Ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt und der in einer Aufnah­me­ein­richtung oder anderen vorübergehenden Unterkunft wohnt, kann innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder Aufnahme längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist zu seiner Versorgung mit angemessenem Wohnraum verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dies der Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebens­ver­hältnisse der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegensteht. [...]

(3) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebens­ver­hältnisse der Bundesrepublik Deutschland kann ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt, innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder erstmaliger Erteilung der Aufent­halt­s­er­laubnis verpflichtet werden, längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dadurch

1. seine Versorgung mit angemessenem Wohnraum,

2. sein Erwerb hinreichender mündlicher Deutsch­kenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und

3. unter Berück­sich­tigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt die Aufnahme einer Erwer­b­s­tä­tigkeit

erleichtert werden kann.

[...]

(9) Die Länder können im Hinblick auf Ausländer, die der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegen, hinsichtlich Organisation, Verfahren und angemessenen Wohnraums durch Rechts­ver­ordnung der Landesregierung oder andere landes­rechtliche Regelungen Näheres bestimmen zu

1. der Verteilung innerhalb des Landes nach Absatz 2,

2. dem Verfahren für Zuweisungen und Verpflichtungen nach den Absätzen 2 bis 4,

3. den Anforderungen an den angemessenen Wohnraum im Sinne der Absätze 2, 3 Nummer 1 und von Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a sowie der Form seines Nachweises,

4. der Art und Weise des Belegs einer sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtigen Beschäftigung nach Absatz 1 Satz 2, eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens sowie eines Ausbildungs- oder Studienplatzes im Sinne der Absätze 1 und 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a,

5. der Verpflichtung zur Aufnahme durch die zum Wohnort bestimmte Gemeinde und zu dem Aufnah­me­ver­fahren.

§ 5 Abs. 4 Ausländer-Wohnsitz­re­ge­lungs­ver­ordnung (AWoV)

Ausländerinnen und Ausländer nach § 2, die zum Zeitpunkt ihrer Zuweisung in einer Gemeinde ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten, dort nicht in einer Landes­ein­richtung untergebracht und nicht verpflichtet sind, in einem anderen Bundesland zu wohnen, sollen dieser Gemeinde zugewiesen werden.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online

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