Dokument-Nr. 26395
Permalink https://urteile.news/
- Verwaltungsgericht Köln, Urteil, 11 K 5686/17
- Wohnsitzverpflichtung für Flüchtlinge ist wirksamVerwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss14.02.2017, 8 L 2982/16, 8 L 2648/16 und 8 L 2836/16
- EuGH soll Zulässigkeit ausländerrechtlicher Wohnsitzauflagen klärenBundesverwaltungsgericht, Beschluss19.08.2014, BVerwG 1 C 1.14, BVerwG 1 C 3.14, BVerwG 1 C 7.14
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil04.09.2018
Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen teilweise nichtigBestimmung des Landes nicht mit Bundesrecht vereinbar
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat eine Wohnsitzauflage aufgehoben, mit welcher die Bezirksregierung Arnsberg einen irakischen Flüchtling verpflichtet hatte, in Kerpen seinen Wohnsitz beizubehalten. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die zugrunde gelegte Vorschrift der nordrhein-westfälischen Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung nicht mit Bundesrecht vereinbar sei.
Dem Kläger des zugrunde liegenden Falls war im März 2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden. Daraufhin wurde er im April 2017 verpflichtet, seinen Wohnsitz für längstens drei Jahre in Kerpen zu nehmen. Dieser Stadt war er bereits im Rahmen seines Asylverfahrens zugewiesen.
Länder dürfen keine inhaltlichen Vorgaben zur Verpflichtung der Wohnsitznahme festlegen
Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage des Irakers gegen die Wohnsitzauflage abgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hatte er beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass zwar vieles dafür spreche, dass § 12 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) Flüchtlinge - vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen - aus integrationspolitischen Gründen zulässigerweise verpflichte, ihren Wohnsitz in dem Bundesland beizubehalten, in das sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens zugewiesen waren. Rechtswidrig und nichtig sei aber die landesrechtliche Bestimmung in § 5 Abs. 4 der Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV), wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewiesen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten. § 12 a Abs. 2 bis 4 AufenthG regelten die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort. Die Länder seien insoweit durch § 12 a Abs. 9 AufenthG nicht zu inhaltlichen Vorgaben, sondern lediglich zu näheren Regelungen hinsichtlich der Organisation und des Verfahrens der Verpflichtung zur Wohnsitznahme ermächtigt. Diesen Ermächtigungsrahmen habe das Land mit § 5 Abs. 4 AWoV überschritten, wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewiesen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten. Die Bestimmung sei auch im Übrigen nicht mit Bundesrecht vereinbar. § 12 a Abs. 3 AufenthG schreibe vor, dass die Wohnsitzauflage unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erlassen werde. Dieses Erfordernis werde durch § 5 Abs. 4 AWoV ausgeblendet.
§ 12 a Aufenthaltsgesetz - Wohnsitzregelung
(1) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ist ein Ausländer, der als Asylberechtigter, Flüchtling im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutzberechtigter im Sinne von § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist oder dem nach § 22, § 23 oder § 25 Absatz 3 erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindestens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht.
(2) Ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt und der in einer Aufnahmeeinrichtung oder anderen vorübergehenden Unterkunft wohnt, kann innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder Aufnahme längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist zu seiner Versorgung mit angemessenem Wohnraum verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dies der Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegensteht. [...]
(3) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland kann ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt, innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder erstmaliger Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verpflichtet werden, längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dadurch
1. seine Versorgung mit angemessenem Wohnraum,
2. sein Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und
3. unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
erleichtert werden kann.
[...]
(9) Die Länder können im Hinblick auf Ausländer, die der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegen, hinsichtlich Organisation, Verfahren und angemessenen Wohnraums durch Rechtsverordnung der Landesregierung oder andere landesrechtliche Regelungen Näheres bestimmen zu
1. der Verteilung innerhalb des Landes nach Absatz 2,
2. dem Verfahren für Zuweisungen und Verpflichtungen nach den Absätzen 2 bis 4,
3. den Anforderungen an den angemessenen Wohnraum im Sinne der Absätze 2, 3 Nummer 1 und von Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a sowie der Form seines Nachweises,
4. der Art und Weise des Belegs einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Absatz 1 Satz 2, eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens sowie eines Ausbildungs- oder Studienplatzes im Sinne der Absätze 1 und 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a,
5. der Verpflichtung zur Aufnahme durch die zum Wohnort bestimmte Gemeinde und zu dem Aufnahmeverfahren.
§ 5 Abs. 4 Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV)
Ausländerinnen und Ausländer nach § 2, die zum Zeitpunkt ihrer Zuweisung in einer Gemeinde ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten, dort nicht in einer Landeseinrichtung untergebracht und nicht verpflichtet sind, in einem anderen Bundesland zu wohnen, sollen dieser Gemeinde zugewiesen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.09.2018
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26395
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.