18.10.2024
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Dokument-Nr. 32188

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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss16.09.2022

Eilantrag einer ungeimpften Sekretärin gegen Betretungs- und Tätig­keits­verbot bleibt erfolglosTätig­keits­verbot für nicht gegen Covid-19 geimpfte Sekretärin einer Klinik ist rechtmäßig

Das Gesundheitsamt der Stadt Gelsenkirchen durfte einer nicht gegen das Coronavirus geimpften Antragstellerin untersagen, das Krankenhaus, in dem sie als Sekretärin arbeitet, zu betreten oder dort tätig zu werden. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht entschieden und damit eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Gelsenkirchen bestätigt.

Das Gesundheitsamt hatte gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 3. Juni 2022 ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen. Grund hierfür ist, dass unter anderem Personen, die in Krankenhäusern tätig sind, aufgrund der geltenden, bis zum 31. Dezember 2022 befristeten Gesetzeslage über einen Impf- oder Genesenennachweis gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügen müssen. Einen solchen hatte die Antragstellerin ihrem Arbeitgeber aber nicht vorgelegt.

OVG verwies auf die Entscheidung des BVerfG zur einrich­tungs­be­zogenen Nachweispflicht

Eine Verfas­sungs­wid­rigkeit der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ist im Eilverfahren nicht festzustellen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat mit Beschluss vom 27. April 2022 (Az. 1 BvR 2649/21) entschieden, dass die Einführung einer einrich­tungs­be­zogenen Nachweispflicht hinsichtlich einer Covid-19-Immunität verfas­sungsgemäß war. Bei vorläufiger Prüfung im Eilverfahren ist nicht festzustellen, dass sich die wissen­schaftliche Erkenntnislage seit der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts derart geändert hat, dass die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 schütze in nennenswertem Umfang vor einer weiteren Übertragung des Virus, offenkundig unzutreffend geworden ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur am 1. September 2022 zwei an die Virusvariante BA.1 angepasste Impfstoffe sowie am 12. September 2022 ein weiterer, speziell auf die Virusvarianten BA.4 und BA.5 ausgerichteter Impfstoff von der Europäischen Kommission zugelassen worden sind. Damit steht nunmehr ein an die aktuell vorherrschende Omikron-Variante angepasster Impfstoff zur Verfügung.

Tätigkeit als Sekretärin nicht entscheidend

Auch hat das Gesundheitsamt das ihm bei seiner konkreten Entscheidung gegenüber der Antragstellerin zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere bestehen im Eilverfahren keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhält­nis­mä­ßigkeit des angeordneten Betretungs- und Tätig­keits­verbots. Unerheblich ist insoweit, dass es sich bei der Antragstellerin nicht um ärztliches oder pflegerisches Personal, sondern um eine Sekretärin handelt. Dass die Antragstellerin in dem Krankenhaus einer Tätigkeit nachgehen könnte, bei der jeglicher Kontakt sowohl zu den Patienten als auch zu anderen dort arbeitenden Personen ausgeschlossen werden kann, hat sie nicht geltend gemacht. Auf die aufgeworfene Frage, inwieweit die Antragstellerin auch von zu Hause aus arbeiten kann, kommt es demgegenüber nicht an, da sich das angeordnete Tätig­keits­verbot nur auf solche Tätigkeiten bezieht, die „in“ der Einrichtung ihrer Arbeitgeberin verrichtet werden.

Trotz "flächen­de­ckender" Nichtanwendung des Gesetzes kein Gleich­heits­verstoß

Schließlich liegt ein Gleich­heits­verstoß nicht vor, wenn andere Gesund­heit­sämter - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - keine Betretungs- und Tätig­keits­verbote aussprechen und damit das Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz faktisch nicht anwenden. Einzel­fa­l­l­ent­schei­dungen der Verwaltung müssen sich vor dem Gleichheitssatz nur in ihrem jeweiligen Kompetenzraum rechtfertigen. Im Übrigen dürfte eine Ermes­sens­ausübung dahingehend, flächendeckend keine entsprechenden Verbote auszusprechen, mit dem Zweck der Vorschrift nicht vereinbar sein, die den Behörden vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle keinen relevanten Spielraum belässt. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/ab)

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