15.11.2024
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Dokument-Nr. 28838

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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss12.06.2020

Keine sofortige Wiederaufnahme des regulären Präsen­z­un­ter­richts in den Grund- und weiterführenden SchulenAb 15.06.2020 werden Bestimmungen durch Neuregelungen ersetzt

Das Ober­verwaltungs­gericht hat einen Eilantrag gegen die nord­rhein­west­fälische Corona­betreuungs­verordnung abgelehnt, mit dem die Antragsteller aus Euskirchen die sofortige Wiederaufnahme des regulären Präsen­z­un­ter­richts in den Grund- und weiterführenden Schulen erreichen wollten. Dabei hat das Gericht die noch bis zum 14. Juni 2020 geltende Rechtslage zugrunde gelegt. Über die am kommenden Montag in Kraft tretenden Änderungen der Corona­betreuungs­verordnung hatte er nicht zu entscheiden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vier Kinder im Alter von acht bis 15 Jahren, von denen zwei die Primarstufe und zwei ein Gymnasium besuchen, und deren Eltern hatten sich gegen die Coronabetreuungsverordnung in ihrer noch bis zum 14. Juni 2020 gültigen Fassung gewandt. Danach muss durch organi­sa­to­rische Maßnahmen unter anderem sichergestellt sein, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Schülerinnen, Schülern, Lehrkräften und anderen Personen mit Zutritt zum Schulgebäude während des Schulbetriebs eingehalten wird. Hierzu sind die Nutzungs­konzepte für die Klassen- und Kursräume entsprechend anzupassen. Diese Vorgaben haben zur Folge, dass der Unter­richts­betrieb derzeit grundsätzlich nur eingeschränkt stattfindet.

Nach Auffassung der Antragsteller stellt aktuelle Beschulung unver­hält­nis­mäßigen Eingriff in Recht auf Bildung und Erziehung der Schüler dar

Die Antragsteller hatten im Wesentlichen geltend gemacht, die aktuelle Beschulung begründe einen unver­hält­nis­mäßigen Eingriff in das durch die Landes­ver­fassung geschützte Recht auf Bildung und Erziehung der betroffenen Schüler sowie das verfas­sungs­rechtlich verbürgte Elternrecht. Weder das praktizierte rollierende System noch die digitalen Unter­richts­formen stellten eine ordnungsgemäße Beschulung oder individuelle Förderung der Schüler dar. Bei der Abwägung der betroffenen Güter sei zudem zu berücksichtigen, dass die Infektionsrate in Nordrhein-Westfalen erheblich gesunken sei und weder an ihren Schulen noch am Wohnort bestätigte Infektionsfälle bekannt seien. Es gebe zudem keine wissen­schaft­lichen Gutachten, die bestätigten, dass Kinder das Virus übertrügen oder Kinder sich gegenseitig ansteckten. Darüber hinaus bedeute der fehlende Präsenzunterricht einen hohen ökonomischen Schaden, weil die betroffenen Schüler später am Arbeitsmarkt weniger verdienten.

OVG: Derzeitige geltende Vorgaben zur Corona­be­treu­ungs­ver­ordnung verhältnismäßig

Dieser Argumentation ist das Oberver­wal­tungs­gericht nicht gefolgt. Die derzeit geltenden Vorgaben der Corona­be­treu­ungs­ver­ordnung seien voraussichtlich noch verhältnismäßig. Die den angegriffenen Regelungen zugrunde liegende Annahme, dass vom Schulbetrieb unter Normal­be­din­gungen eine erhöhte Infek­ti­o­ns­gefahr ausgehe, sei voraussichtlich nicht zu beanstanden. Die Einschätzung des Infek­ti­o­ns­risikos von Kindern und Jugendlichen sowie deren Relevanz bei der Übertragung des Virus auf andere Personen lasse sich nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts noch nicht abschließend beurteilen. Angesichts des anhaltenden wissen­schaft­lichen Diskurses und der Dynamik des Infek­ti­o­ns­ge­schehens komme dem Verord­nungsgeber nach wie vor ein Beurtei­lungs­spielraum zu. Diesen habe er auch nicht dadurch überschritten, dass er aufgrund einer Neubewertung der Lage (erst) ab dem 15. Juni 2020 die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern in Unter­richts­si­tua­tionen in den Klassen- bzw. Kursräumen nicht mehr für erforderlich halte. Der Beurtei­lungs­spielraum des Verord­nungs­gebers beziehe sich nicht nur auf Art und Umfang der für notwendig erachteten Beschränkungen, sondern auch auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Maßnahme im Anschluss an eine solche Neubewertung gelockert werde. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass die zunächst verordnete Schulschließung ab dem 16. März 2020 sowie der daran anschließende, seit dem 7. Mai 2020 schrittweise auf alle Jahrgänge ausgeweitete, eingeschränkte Präsen­z­un­terricht zum Teil gravierende soziale und auch ökonomische Folgen für Schüler und Eltern haben könne. Diese nachteiligen Folgen würden aber zumindest in Teilen durch digitale Unterrichts- und Lernangebote (sogenanntes Lernen auf Distanz) abgefedert.

In neuen Regelungen wird auf Mindestabstand verzichtet

Hinzu komme, dass die vorliegend angegriffenen Bestimmungen der Verordnung bereits zum 15. Juni 2020 durch Neuregelungen ersetzt würden, die wegen des Verzichts auf Mindestabstände ein deutliches Mehr an Präsen­z­un­terricht in den Schulen ermöglichen. Dass im Anschluss an die Neuregelung der infek­ti­o­ns­schutz­recht­lichen Rahmen­be­din­gungen zum 15. Juni 2020 die Schulen der Primarstufe nach den Erklärungen des Schul­mi­nis­teriums wieder zu einem Regelbetrieb zurückkehrten, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es bedürfe deshalb keiner Entscheidung, was daraus gegebenenfalls zukünftig für die Frage des Präsen­z­un­ter­richts an den allge­mein­bil­denden weiterführenden Schulen folge. Lediglich vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben der Corona­be­treu­ungs­ver­ordnung einer Ausweitung des Präsen­z­un­ter­richts insoweit aus Rechtsgründen nicht entgegenstehen dürften. Ab dem 15. Juni 2020 müsse - unabhängig von der Schulform - im Kern nur noch gewährleistet sein, dass durch Bildung fester Lerngruppen ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbaren Personenkreis reduziert wird. Dies dürfte bei entsprechender schul­or­ga­ni­sa­to­rischer Ausgestaltung in einem substantiellen Umfang (zumindest) auch in der Sekundarstufe I möglich sein.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/ku)

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