21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Münster Beschluss21.03.2023

Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren nach dem Netzwerk­durchsetzungs­gesetz teilweise nicht anwendbarGegen­vor­stel­lungs­ver­fahren nach § 3 b NetzDG verstößt gegen das Herkunfts­land­prinzip und ist deshalb nicht auf soziale Netzwerke mit Sitz im EU-Ausland anwendbar

Die in § 3 b des Gesetzes zur Verbesserung der Rechts­durch­setzung in sozialen Netzwerken (Netzwerk­durchsetzungs­gesetz - NetzDG) vorgesehene Pflicht, ein Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren vorzuhalten, ist auf in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Anbieter sozialer Netzwerke teilweise nicht anwendbar. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht vorläufig festgestellt und damit einen Eilbeschluss des Verwal­tungs­ge­richts Köln teilweise geändert.

Die in Irland ansässige Antragstellerin ist ein Unternehmen des Meta-Konzerns und bietet die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram für Nutzer in Deutschland an. Sie hatte im Wege des Eilrechts­schutzes gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die vorläufige Feststellung begehrt, dass sie den Pflichten nach § 3 a und § 3 b NetzDG nicht unterliegt. § 3 a NetzDG verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke, ihnen gemeldete rechtswidrige Inhalte auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straf­tat­be­stände zu prüfen und die fraglichen Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben gegebenenfalls an das Bundes­kri­mi­nalamt zu melden. § 3 b NetzDG verlangt von Anbietern sozialer Netzwerke, ein wirksames und transparentes Gegenvorstellungsverfahren vorzuhalten. Das soll Nutzern ermöglichen, eine Entscheidung des Anbieters des sozialen Netzwerks darüber, ob er einen bestimmten Inhalt entfernt bzw. den Zugang zu ihm sperrt, durch den Anbieter überprüfen zu lassen.

Beschwerde in Bezug auf das Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren teilweise erfolgreich

Das Verwal­tungs­gericht Köln hat dem Eilantrag hinsichtlich der Verpflichtungen nach § 3 a NetzDG stattgegeben; insoweit ist der Beschluss nicht angegriffen worden. Im Übrigen, also in Bezug auf das Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren nach § 3 b NetzDG, hat das Verwal­tungs­gericht den Eilantrag abgelehnt. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Die Beschwerde war teilweise erfolgreich. Die Antragstellerin ist vorläufig nicht verpflichtet, Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren zu Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung strafrechtlich relevanter Inhalte bei sogenannten NetzDG-Beschwerden vorzuhalten (§ 3 b Abs. 1 und 2 NetzDG). Das OVG hat dazu ausgeführt, dass die Anwendung dieser Vorschrift auf Anbieter sozialer Netzwerke, die wie die Antragstellerin in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind, gegen das in der Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr (E-Commerce-Richtlinie) verankerte Herkunftslandprinzip verstoßen dürfte. Das unions­rechtliche Herkunfts­land­prinzip dient dem freien Dienst­leis­tungs­verkehr und bestimmt, dass Dienste der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft, zu denen auch soziale Netzwerke gehören, grundsätzlich nur dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem der Anbieter niedergelassen ist (hier also Irland). Soweit die E-Commerce-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Verfahren für die Löschung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festzulegen, dürfte sie nur Regelungen für in dem jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Anbieter erlauben.

Voraussetzungen für Abweichung vom Herkunfts­land­prinzip hier nicht erfüllt

Eine Abweichung vom Herkunfts­land­prinzip wäre daher nur unter den dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zulässig. Diese dürften hier aber schon deshalb nicht erfüllt sein, weil die Bundesrepublik Deutschland die maßgeblichen verfah­rens­recht­lichen Anforderungen nicht eingehalten hat. Vor der Einführung von § 3 b NetzDG hat sie die EU-Kommission sowie die betroffenen Sitzmit­glied­s­taaten der Anbieter sozialer Netzwerke nicht informiert bzw. letztere nicht erfolglos dazu aufgefordert, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Davon durfte sie auch nicht im Rahmen eines sogenannten Dring­lich­keits­ver­fahrens abweichen.

Eilantrag in Bezug auf Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren unzulässig

Hinsichtlich der Pflicht zur Vorhaltung eines Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahrens zu Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung sonstiger Inhalte (§ 3 b Abs. 3 NetzDG) - dies betrifft etwa gegen die Gemein­schafts­s­tandards bzw. -richtlinien von Facebook oder Instagram verstoßende Inhalte - hatte die Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Das Verwal­tungs­gericht hat den auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Eilantrag insoweit zu Recht als unzulässig abgelehnt. Anders als die Pflicht nach § 3 b Abs. 1 und 2 NetzDG ist die Pflicht zu einem Gegen­vor­stel­lungs­ver­fahren nach § 3 b Abs. 3 NetzDG nicht bußgeldbewehrt. Der Antragstellerin ist es daher insoweit zuzumuten, sich gegen etwaige Maßnahmen der zuständigen Aufsichts­behörde (Bundesamt für Justiz) im Wege des nachträglichen Rechtsschutzes zur Wehr zu setzen. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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