21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss22.10.2020

OVG Lüneburg: Pflegekammer Niedersachsen muss Presse­mit­teilung vorläufig von Homepage entfernenAntrag auf Löschung der Presse­mit­teilung erfolgreich

Das Nieder­säch­sischen Oberverwaltungs­gericht hat entschieden, dass die Presse­mit­teilung „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“ der Pflegekammer Niedersachsen vom 7. September 2020 vorläufig von deren Homepage entfernt werden muss.

Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe u.a. die Wahrnehmung der beruflichen Belange von Pflege­fach­personen ist. In der Vergangenheit gab es teils erhebliche Widerstände gegen die Gründung einer Pflegekammer, gegen deren Tätigkeit und die gesetzliche Pflicht­mit­glied­schaft. Die Rechtmäßigkeit der Pflicht­mit­glied­schaft war Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren (vgl. Nds. Oberver­wal­tungs­gericht, Urteile vom 22. August 2019 – 8 LC 116/18, 8 LC 117/18 –).

Streit um Abschaffung der der Pflegekammer

Eine Online-Befragung unter den ca. 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer, an der ca. 15.100 Mitglieder teilnahmen, ergab, dass sich über 70 Prozent der Antwortenden für die Abschaffung der Pflegekammer aussprachen. Daraufhin erklärte die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen ihre Absicht, die Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen einzuleiten. Die Pflegekammer veröffentlichte am 7. September 2020 auf ihrer Internetseite eine Pressemitteilung unter dem Titel „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“, mit der sie sich für ihren Erhalt aussprach. Aus dem Ergebnis der durchgeführten Umfrage könne kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer in Frage zu stellen, da nur ca. 19 Prozent an dieser teilgenommen hätten.

Eilantrag auf Löschung der Presse­mit­teilung erfolgreich

Die Antragstellerin, die selbst Mitglied der Pflegekammer ist, stellte daraufhin einen Eilantrag beim Verwal­tungs­gericht Hannover, die Presse­mit­teilung mit sofortiger Wirkung von der Homepage zu entfernen. Dem Antrag gab das Verwal­tungs­gericht mit Beschluss vom 24. September 2020 (Az.: 7 B 4667/20) mit der Begründung statt, der Inhalt der Presse­mit­teilung werde dem Sachlichkeitsgebot an zwei Stellen nicht gerecht und lasse insgesamt eine ausreichende Darstellung der Gegenposition vermissen. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts bestätigt und die Beschwerde zurückgewiesen.

Für Äußerungen der Pflegekammer gelten bestimmte rechtliche Anforderungen

Danach gelten für Äußerungen der Pflegekammer als Berufskammer mit Pflicht­mit­glied­schaft bestimmte rechtliche Anforderungen. Unter anderem müssten sie sachlich und objektiv sein. Inhalt der Äußerungen dürfe kein Teil- und auch kein Mehrheits­in­teresse sein. Die Pflicht­mit­glied­schaft bringe es mit sich, dass ein Gesamtinteresse der Kammer­mit­glieder vermittelt werden müsse, dass durch Abwägung und Ausgleich auch wider­strei­tender Interessen ermittelt werde.

Auch Minder­heits­auf­fas­sungen müssen offenlegen werden

Im Falle höchst umstrittener Fragen dürfe die Pflegekammer ihre Mehrheits­auf­fassung nicht apodiktisch mitteilen, sondern müsse zugleich die Minder­heits­auf­fassung(en) offenlegen und die zur Mehrheits­auf­fassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen. In bedeutenden und unter den Kammer­mit­gliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliege die Bildung dieses Gesam­t­in­teresses der gewählten Kammer­ver­sammlung.

Vorstand darf nicht vorschnell öffentlich Stellung beziehen

Habe die Kammer­ver­sammlung in NDS einer bedeutenden und unterschiedlich beurteilten Angelegenheit noch nicht zumindest eine grundsätzliche Festlegung des Gesam­t­in­teresses getroffen, so könne der Vorstand - der im Allgemeinen für die Pressearbeit zuständig sei - in dieser Angelegenheit in der Öffentlichkeit noch nicht Position beziehen. Die damit verbundene Einschränkung der öffentlichen Inter­es­sen­ver­tretung bei einzelnen Themen sei unvermeidlich, weil die Pflegekammer als Berufskammer mit Pflicht­mit­glied­schaft in grundsätzlich anderer Weise tätig werde als ein privater Inter­es­sen­verband.

Gegenposition nicht ausreichend dargestellt

Die Presse­mit­teilung „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“ habe für den Erhalt der Pflegekammer Stellung bezogen, ohne die Gegenposition ausreichend darzustellen und die zur Bildung des Gesam­t­in­teresses führende Abwägung erkennbar zu machen. Das sei bei diesem Thema erforderlich, weil ein erheblicher Teil der Mitglieder gegen die weitere Tätigkeit der Pflegekammer sei. Das Thema sei außerdem so bedeutend, dass nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses der Online-Befragung eine grundsätzliche Positionierung durch die Kammer­ver­sammlung erforderlich gewesen sei, an der es am 7. September 2020 gefehlt habe. Zudem entsprächen zwei Formulierungen nicht dem Sachlich­keitsgebot.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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