18.10.2024
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Dokument-Nr. 31905

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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss22.06.2022

Impfver­pflichtung in Pflegeheimen nicht mit Zwangsgeld durchsetzbarInfektion­sschutz­gesetz bietet keine rechtliche Grundlage für die zwangsweise Durchsetzung der Impfpflicht

Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat die Beschwerde des Landkreises Diepholz gegen eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Hannover zurückgewiesen, mit dem dieses Eilrechtsschutz gegen einen Bescheid gewährt hatte, der der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgab, einen Nachweis über die Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-19 einzureichen.

Die Antragstellerin arbeitet in einem Seniorenhaus. Nachdem der Landkreis von ihrem Arbeitgeber die Mitteilung erhalten hatte, dass sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei, ordnete er gegenüber der Antragstellerin unter Hinweis auf § 20 a Abs. 5 Satz 1 des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes (IfSG) an, einen Impfnachweis über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen beim Gesundheitsamt einzureichen; die Frist für die Zweitimpfung beginne ab dem Tag der verabreichten Erstimpfung zu laufen. Er ordnete zudem die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an und drohte der Antragstellerin für den Fall, dass sie der Verfügung nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an. Auf den hiergegen gerichteten Eilantrag stellte das Verwal­tungs­gericht die aufschiebende Wirkung der dort gleichzeitig von der Antragstellerin erhobenen Klage gegen die Anordnung der Vorlage der Impfnachweise wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangs­geldan­drohung an. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfent­scheidung voraussichtlich rechtswidrig und nicht durch § 20 a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt.

Durchsetzung der Anordnung mittels Zwangsgeldes rechtswidrig

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat diese Entscheidung im Ergebnis bestätigt. Mit dem angefochtenen Bescheid begehre der Landkreis der Sache nach nicht nur - wie in § 20 a Abs. 5 Satz 1 IfSG vorgesehen - die Vorlage eines Nachweises im Sinne des § 20 a Abs. 2 Satz 1 IfSG. Die Antragstellerin werde vielmehr (mittelbar) dazu verpflichtet, in der vorgegebenen Frist die Impfungen gegen das Corona-Virus vornehmen zu lassen. Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und (erst recht) für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes biete § 20 a Abs. 5 Satz 1 IfSG aller Voraussicht nach keine Grundlage. Die verkürzt auch als „einrich­tungs­be­zogene Impfpflicht“ bezeichnete einrichtungs- und unter­neh­mens­be­zogene Nachweispflicht begründe nämlich gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen.

Gesundheitsamt darf nur Betretens- oder Tätig­keits­verbot auszusprechen

Faktisch stelle die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beein­träch­tigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen. Dementsprechend eröffne § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG dem Gesundheitsamt die Möglichkeit, bei Nichtvorlage eines Nachweises ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der einrichtungs- und unter­neh­mens­be­zogenen Nachweispflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen. Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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