15.11.2024
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Dokument-Nr. 29375

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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss29.10.2020

OVG Lüneburg kippt Sperrzeit und des Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbots für Gastro­no­mie­be­triebe in NiedersachsenKonkrete Ausgestaltung der Maßnahmen für den Infek­ti­o­ns­schutz so nicht notwendig

Das Ober­verwaltungs­gerichts Lüneburg hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 die Vorschrift des § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung vom 7. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Oktober 2020, vorläufig außer Vollzug gesetzt (Az.: 13 MN 393/20).

In dem hier vorliegenden Fall geht es konkret um den § 10 Abs. 2 Satz 1 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung ordnet für jeden Gastronomiebetrieb eine Sperrzeit an, die um 23.00 Uhr beginnt und um 6.00 Uhr endet, wenn in Bezug auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in dem oder in der der Gastro­no­mie­betrieb liegt, die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 35 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt. § 10 Abs. 2 Satz 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung untersagt es den Betreiberinnen und Betreibern von Gastro­no­mie­be­trieben unabhängig von der Sperrfrist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung, alkoholische Getränke im Außer-Haus-Verkauf abzugeben, wenn die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt.

Klägerin begeht vorläufige Außer­voll­zug­setzung von § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung

Die Antragstellerin betreibt in Delmenhorst eine Bar. Mit ihrem Normen­kon­trol­leil­antrag vom 23. Oktober 2020 begehrt sie die vorläufige Außer­voll­zug­setzung von § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung, den sie für zu unbestimmt und auch sonst für rechtswidrig erachtet. Die Sperrzeit und das Außer-Haus-Verkaufsverbot seien keine notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen. Gaststätten hätten nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts überhaupt keinen wesentlichen Anteil am Infek­ti­o­ns­ge­schehen. Deren zeitweise Schließung würde Zusammenkünfte und Feiern in private Bereiche abdrängen, die ein deutlich höheres Infek­ti­o­ns­risiko aufwiesen. Der weitere Vollzug der Verordnung sei für sie mit erheblichen, ihre wirtschaftliche Existenz gefährdenden Umsatzeinbußen verbunden.

OVG rügt konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen

Der Antrag hat Erfolg. Das OVG hat deutlich herausgestellt, dass angesichts der derzeit stark steigenden Infizier­ten­zahlen in weiten Teilen des Bundesgebiets und Niedersachsens die gesetzlichen Voraussetzungen für ein staatliches Handeln durch infek­ti­o­ns­schützende Maßnahmen zwar erfüllt seien. Die Sperrzeit und das Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbot für Gastro­no­mie­be­triebe in ihrer konkreten Ausgestaltung in § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung stellten aber keine notwendigen infek­ti­o­ns­schutz­recht­lichen Schutzmaßnahmen dar.

Sperrzeit und Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbot grundsätzlich geeignete Mittel zur Infek­ti­o­ns­be­kämpfung

Dabei hat der Senat betont, dass eine Sperrzeit und auch ein Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbot grundsätzlich geeignete Mittel sein könnten, einen Beitrag zur effektiven Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zu leisten, weil sie die Kontakt­mög­lich­keiten in den Gastro­no­mie­be­trieben während des Zeitraums von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr beschränkten und verhinderten, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen zu dieser Zeit in den Einrichtungen einfänden. Zudem würden die Kontakt­mög­lich­keiten auf dem NDSWeg von und zu gastronomischen Einrichtungen und die erhöhte Attraktivität des öffentlichen Raums reduziert.

Konkrete Ausgestaltung der Regelung aber nicht erforderlich

Die konkrete Ausgestaltung der Sperrzeit und des Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbots in der allein zu beurteilenden abstrakten Regelung des § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung sei aber nicht erforderlich. Dies gelte zum einen mit Blick auf das tätig­keits­be­zogene Infek­ti­o­ns­ge­schehen. Der Verord­nungsgeber habe für den Senat nicht nachvollziehbar erklären können, warum gerade der Aufenthalt in Gastro­no­mie­be­trieben zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr sowie der ganztägige Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke ein erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko mit sich brächten.

OVG zieht Parallelen zum Beher­ber­gungs­verbot

Die Erfor­der­lichkeit fehle aber auch mit Blick auf das gebietsbezogene Infek­ti­o­ns­ge­schehen, das der Verord­nungsgeber in § 10 Abs. 2 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung allein abstrakt anhand der 7-Tage-Inzidenz von 35 bzw. 50 oder mehr Fällen Neuinfizierter je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern beschreibe. Diese Anknüpfung sei, wie schon im Verfahren zur Nieder­säch­sischen Corona-Beherbergungs-Verordnung festgestellt, nicht ausreichend. Die Untersagung des gegenüber der Sperrzeit zeitlich unbegrenzten Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbots bewirke schließlich eine Ungleich­be­handlung gegenüber nicht gastronomischen Betrieben, denen ein Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke nicht untersagt worden sei.

Infek­ti­o­ns­ge­schehen in konkretem Gebiet nicht betrachtet

Nicht zu betrachten hatte der Senat hingegen, ob die verordneten Maßnahmen aufgrund eines konkreten gebiets­be­zogenen Infek­ti­o­ns­ge­schehens, etwa in dem Gebiet, in dem gerade die Antragstellerin ihren Gastro­no­mie­betrieb betreibt, oder aber auch in einem deutlich darüber hinausgehenden Gebiet unter Berück­sich­tigung aller gebotenen Umstände für erforderlich erachtet werden könnten. Die vorläufige Außer­voll­zug­setzung ist allge­mein­ver­bindlich und der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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