Dokument-Nr. 30642
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss03.08.2021
OVG setzt Schließung von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen sowie Shisha-Bars bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 10 AußervollzugRegelung stellt derzeit keine notwendige Schutzmaßnahme mehr dar
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss 1 § 9 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021 (zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.7.2021, im Folgenden: Corona-VO), der die Schließung von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen sowie Shisha-Bars ab einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 10 anordnet, einstweilig außer Vollzug gesetzt.
Die Antragstellerin, die eine Shisha-Bar in Delmenhorst betreibt, hatte sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen diese Regelung sowie gegen § 1 a Abs. 1 und 2 Corona-VO gewandt und argumentiert, die Schließung sei unverhältnismäßig. Nach den vom RKI aufbereiteten Daten spiele das Infektionsumfeld “Gaststätte“ oder „Shisha-Bar“ nur eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus seien die Inzidenz-Werte willkürlich gewählt und nicht mehr hinreichend aussagekräftig, da sie die notwendigen Parameter nur unzureichend berücksichtigten.
OVG: Schließung keine notwendige Schutzmaßnahme mehr
Das OVG hat dem Eilantrag auf § 9 Abs. 5 Corona-VO entsprochen. Es handele sich bei der Schließung der genannten Einrichtungen nicht um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Insbesondere lägen die speziellen Voraussetzungen des § 28 a Abs. 3 IfSG nicht vor. Diese Vorschrift sehe drei unterschiedliche Inzidenzbereiche (über 50, über 35, unter 35) vor. Dies schließe es aus, die derzeit angeordnete Schließung von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Eirichtungen sowie Shisha-Bars bereits bei einem 7-Tage-Inzidenzwert von mehr als 10 anzuordnen. Unterhalb einer 7-Tage-Inzidenz von 35 kämen bei der im Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Staffelung lediglich allgemeine Regelungen, wie Test- und Maskenpflicht sowie die Kontaktdatenerhebung, äußerstenfalls Zugangsbeschränkungen in Betracht. Generelle Betriebsschließungen einzelner Branchen seien damit nicht vereinbar.
Anpassung der Schwellenwerte an geänderte Sachlage erforderlich
Im Hinblick auf das Fortschreiten der Immunisierung der Bevölkerung und der damit verbundenen weitgehenden Beschränkung des Infektionsgeschehens auf weniger vulnerable (jüngere) Gruppen eine Anpassung der Schwellenwerte an die geänderte Sachlage erforderlich sei. Auf Grundlage der derzeit geltenden Schwellenwerte könnten schwerwiegende Grundrechtseingriffe nur noch für einen kurzen Übergangszeitraum gerechtfertigt werden. Eine Unterminierung der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners sei durch die vorläufige Außervollzugsetzung nicht zu befürchten. § 9 Abs. 5 Corona-VO sei nicht Bestandteil eines zwischen allen Bundesländern abgestimmten Gesamtkonzepts. Die Verordnung enthalte in ihrem § 1 f Abs. 2 Regelungen etwa zu Hygienekonzepten, Kapazitätsbeschränkungen und Testverpflichtungen, die vorübergehend auch oberhalb der 7-Tage-Inzidenz von 10 auf Diskotheken, Clubs und ähnliche Einrichtungen sowie Shisha-Bars angewendet werden könnten.
Regelung in Niedersachsen nicht mehr zu beachten
Es müsse der gebotenen Neuregelung der Schwellenwerte überlassen bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen diese Einrichtungen, die fraglos zu einem erhöhten Infektionsrisiko führten, wieder geschlossen werden sollten. Die Außervollzugsetzung des § 9 Abs. 5 Corona-VO ist allgemeinverbindlich, d.h. die betroffene Regelung ist in Niedersachsen gegenwärtig nicht zu beachten. Hinsichtlich der Regelungen in § 1 a Abs. 1 und 2 Corona-VO hat der Senat den Antrag wegen fehlender Antragsbefugnis verworfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.08.2021
Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)
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