18.10.2024
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Dokument-Nr. 31193

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Beschluss15.12.2021Oberverwaltungsgericht Lüneburg10 ME 170/21
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss15.12.2021

Dreijährige Kinder haben Anspruch auf Betreuung in einem Kindergarten im Umfang von 6 Stunden täglichOVG gibt Eilantrag statt

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gerichts hat in einem Eilverfahren entschieden, dass Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Kinder­tages­einrichtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden haben.

Der fünfjährige Antragsteller begehrt vom Landkreis Göttingen den Nachweis eines zumutbaren und bedarfs­ge­rechten Kinder­gar­ten­platzes mit einer Betreuungszeit von jeweils 6 Stunden von montags bis freitags. Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hatte mit Beschluss vom 29. Oktober 2021 den Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, dass sein Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Zurver­fü­gung­s­tellung eines Kinder­gar­ten­platzes mit dem ihm im Jahr 2019 nachgewiesenen, aber in der Zwischenzeit von dem beigeladenen Kinder­ta­gess­tätten-Verband gekündigten Platz erfüllt worden sei. Die Eltern des Antragstellers müssten gegen die vom Beigeladenen mit Wirkung zum 15. September 2021 wegen des Verhaltens des Antragstellers ausgesprochene Kündigung des Betreu­ungs­vertrags im zivil­recht­lichen Kündi­gungs­schutz­ver­fahren vorgehen.

OVG: Kinder­gar­tenplatz muss bis zur Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren zur Verfügung gestellt werden

Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde hat Erfolg. Das Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­gericht hat den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts geändert und den Landkreis Göttingen verpflichtet, dem Antragsteller einen wohnortnahen Platz in einer Kinder­ta­ges­ein­richtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden bis zur Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren zur Verfügung zu stellen. Dies hat der Senat damit begründet, dass der dem Antragsteller im Jahr 2019 nachgewiesene Kinder­gar­tenplatz beim Beigeladenen nicht mehr zur Verfügung stehe, nachdem dieser Platz in der Zwischenzeit durch ein anderes Kind belegt worden sei, sodass auch ein zivil­recht­liches Kündi­gungs­schutz­ver­fahren nicht den gewünschten Erfolg haben könne. Außerdem hat der Senat es als nachvollziehbar angesehen, dass die Eltern des Antragstellers im Hinblick auf das Wohl ihres Kindes gegen den Willen des Beigeladenen eine weitere Betreuung ihres Kindes in dessen Einrichtung nicht haben erzwingen wollen. Werde ferner berücksichtigt, dass der Antragsgegner von seinen Einwir­kungs­mög­lich­keiten gegenüber dem Beigeladenen selbst keinen Gebrauch gemacht habe, könne dem Anspruch des Antragstellers nicht entge­gen­ge­halten werden, dass seine Eltern nicht gegen die vom Beigeladenen ausgesprochene und vom Antragsgegner als rechtswidrig angesehene Kündigung vorgegangen seien.

Unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewähr­leis­tungs­pflicht begründet Anspruch

Der Antragsgegner könne sich auch nicht darauf berufen, dass er vor dem Frühjahr 2022 keinen alternativen Kinder­gar­tenplatz für den Antragsteller anbieten könne. Denn der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stehe unter keinem Kapazi­täts­vor­behalt. Es handele sich insoweit um eine unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewähr­leis­tungs­pflicht, der der Jugend­hil­fe­träger nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen könne.

Betreu­ungs­umfang soll Eltern Erwer­b­s­tä­tigkeit ermöglichen

Zum erforderlichen Umfang der Betreuung hat der Senat weiter ausgeführt, dass zwar dem Bundesrecht entnommen werden könne, dass kein Anspruch auf eine ganztägige Betreuung für Dreijährige bestehe, doch im Übrigen weder das Bundesrecht noch das Landesrecht diesbezüglich konkrete Vorgaben enthielten. Aus § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ergebe sich jedoch die Zielvorgabe, dass die Tages­ein­rich­tungen den Eltern dabei helfen sollen, Erwer­b­s­tä­tigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Dieses Ziel könne mit einer lediglich 4-stündigen Betreuung nicht erreicht werden, da unter Berück­sich­tigung der Wegezeiten eine Betreuung in diesem Umfang bereits eine Halbtag­s­tä­tigkeit zeitlich nicht ermögliche. Unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung, in der der Senat die Frage, ob der Betreu­ungs­an­spruch für Dreijährige 4 oder 6 Stunden beträgt, bislang offengelassen hat, hat der Senat daher nunmehr entschieden, dass zur Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eine Betreuung an 5 Tagen in der Woche im Umfang von jeweils 6 Stunden angeboten werden muss. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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