18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 31158

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Urteil07.12.2021Oberverwaltungsgericht Lüneburg10 LB 278/20, 10 LB 268/20, 10 LB 270/20 und 10 LB 257/20).
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil07.12.2021

Rückführung nach Bulgarien zulässigBehandlung von nicht vulnerablen international Schutz­be­rech­tigten genügt derzeit den Anforderungen nach der neueren Rechtsprechung des EuGH

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gericht hat mit vier Urteilen entschieden, dass alleinstehende, nicht vulnerable Personen, die in Bulgarien internationalen bzw. subsidiären Schutz erhalten haben, dorthin rücküberstellt werden dürfen.

Das Verwal­tungs­gericht Hannover hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Urteilen jeweils unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 29.1.2018 - 10 LB 82/17 - und vom 31.1.2018 - 10 LB 87/17 -) verpflichtet, für die jeweiligen Kläger Abschie­bungs­verbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Bulgarien festzustellen (Az.: 2 A 3439/18, 15 A 3023/17 und 2 A 3026/19). Diese Urteile hat der Senat in den jetzt entschiedenen Berufungs­ver­fahren geändert und die Klagen abgewiesen. In dem Verfahren zum Aktenzeichen 10 LB 259/20 hat es die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Lüneburg (Az.: 8 A 75/18) zurückgewiesen.

Mindest­be­dürfnisse („Bett, Brot und Seife“) gedeckt

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass er insoweit nicht mehr an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2018, die auf Grundlage der damaligen Erkenntnislage ergangen sei, festhalte. Auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse hat der Senat festgestellt, dass die Behandlung von nicht vulnerablen international Schutz­be­rech­tigten in Bulgarien derzeit den Anforderungen nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genügten, wonach für die Frage der Zulässigkeit der Rücküberstellung lediglich die Mindest­be­dürfnisse in dem betreffenden Mitgliedstaat der Europäischen Union gedeckt sein müssten („Bett, Brot und Seife“). Zwar bestünden in Bulgarien schwierige Lebens­ver­hältnisse, die sich durch die Corona-Pandemie noch verschlechtert hätten. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass alleinstehende anerkannte Schutz­be­rechtigte, die gesund und arbeitsfähig sind, dort kein für ihren eigenen Lebensunterhalt ausreichendes Erwer­b­s­ein­kommen erzielen und keine Unterkunft finden könnten. Dazu hat der Senat im Einzelnen festgestellt, dass nach den im Entschei­dungs­zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkennt­nis­mitteln nicht vulnerablen anerkannten Schutz­be­rech­tigten bei einer Rückkehr nach Bulgarien keine Obdachlosigkeit drohe. Konkrete Erkenntnisse über Obdachlosigkeit in nennenswertem Umfang lägen nicht vor und arbeitsfähige anerkannte Schutz­be­rechtigte seien mit hinreichender Wahrschein­lichkeit in der Lage, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden und zu finanzieren.

Versorgung für weitere Personen nicht ausreichen

Mangels staatlicher Unterstützung sei für die dauerhafte Erlangung einer menschen­würdigen Unterkunft, die derzeit auch Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen nicht gewährleisten könnten, jedoch die individuelle Fähigkeit des jeweiligen Schutz­be­rech­tigten, seine Lebens­hal­tungs­kosten selbst zu bestreiten, maßgeblich. Dementsprechend sei für nicht arbeitsfähige bzw. kranke Schutz­be­rechtigte und Familien mit Kindern eine andere Bewertung geboten. Denn es sei zwar unter Berück­sich­tigung der bestehenden Arbeits­mög­lich­keiten für anerkannt Schutz­be­rechtigte in Bulgarien trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie davon auszugehen, dass alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Schutz­be­rechtigte bei einer Rückkehr nach Bulgarien in der Lage sein würden, durch eigene Erwer­b­s­tä­tigkeit ein Einkommen zu erwirtschaften, das zur Deckung ihrer eigenen Lebens­hal­tungs­kosten einschließlich der Kosten einer Unterkunft ausreiche. Dies sei allerdings angesichts der in Bulgarien herrschenden Lebens­be­din­gungen nicht ausreichend, wenn die Rückführung im Familienverbund erfolge und weitere Personen versorgt werden müssten.

Verstoß gegen EU-Recht nicht feststellbar

Soweit sich einzelne Kläger auf die vermutete Praxis des bulgarischen Staats berufen hätten, anerkannt Schutz­be­rech­tigten den internationalen Schutzstatus wieder zu entziehen, wenn diese ihre Identi­täts­nachweise nicht rechtzeitig verlängerten, sei eine Art. 4 der Grund­recht­echarta der Europäischen Union widersprechende Praxis bei der Überprüfung des in Bulgarien gewährten Schutzstatus nach Auswertung der aktuellen Erkennt­nis­mittel nicht festzustellen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

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