18.10.2024
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Dokument-Nr. 32618

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Oberverwaltungsgericht Koblenz Beschluss07.01.2023

Sperrungs­a­n­ordnung für unerlaubte Glückss­pie­l­an­gebote im Internet gegenüber Zugangs­ver­mittler rechtswidrigKeine Sperrpflicht für Access-Provider

Für die von der Gemeinsamen Glückss­piel­behörde der Länder gegenüber einem Zugangs­ver­mittler (Access-Provider) angeordnete Sperrung von Internetseiten eines ausländischen Glücks­spiel­anbieters besteht keine Rechtsgrundlage. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren.

Die Gemeinsame Glückss­piel­behörde der Länder in Halle (Saale) ist bundes­län­der­über­greifend verantwortlich für die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet und der Werbung dafür. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 ordnete die Behörde gegenüber der Antragstellerin - einer Anbieterin von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­diensten mit Sitz in Rheinland-Pfalz - u.a. an, bestimmte Internetseiten (Domains) mit Glückss­pie­l­an­geboten von zwei Lotte­rie­un­ter­nehmen mit Sitz in der Republik Malta im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangs­ver­mittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von der Antragstellerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich sei. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und suchte zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das Verwal­tungs­gericht Koblenz lehnte ihren Eilantrag ab.

Antragstellerin kein verant­wort­licher Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG

Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden der Antragstellerin und der beigeladenen Glückss­pie­lan­bieter änderte das Oberver­wal­tungs­gericht die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtene Sperrungsanordnung an. Die gegenüber der Antragstellerin getroffene Sperrungs­a­n­ordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Sie könne nicht auf die Ermäch­ti­gungs­grundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glückss­piel­staats­ver­trages 2021 - GlüStV 2021 - gestützt werden. Nach dieser Bestimmung könne die Antragsgegnerin als Glückss­pie­laufsicht nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glückss­pie­l­an­gebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Teleme­di­en­ge­setzes - TMG - verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangs­ver­mittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolg­ver­sprechend erwiesen. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Bei der Antragstellerin handele es sich bereits nicht um einen im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verant­wort­lichen Diensteanbieter, so dass es keiner Entscheidung bedürfe, ob die weiteren Voraussetzungen der Regelung für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin gegeben seien.

Für fremde Informationen nicht verantwortlich

Das Gericht teile nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich die Verant­wort­lichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus dieser Norm selbst bestimme, ohne dabei auf eine Verant­wort­lichkeit nach dem Teleme­di­en­gesetz abzustellen. Der Wortlaut der Vorschrift lasse diese Auslegung nicht zu. Ein derartiges Normverständnis werde auch nicht durch die Entste­hungs­ge­schichte oder den Sinn und Zweck der Regelung getragen. Die Antragstellerin sei nach Maßgabe des dargelegten Verständnisses des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verant­wort­licher Diensteanbieter. Nach der für die Antragstellerin als Zugangs­ver­mittler maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG seien Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermittelten, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hätten (Nr. 3). Die Antragstellerin erfülle diese Haftungs­aus­schluss­vor­aus­set­zungen.

Ausnahmen greifen nicht

Weder veranlasse sie die Übermittlung der Glückss­piel­inhalte noch wähle sie diese oder den Adressaten aus. Die Haftungs­pri­vi­le­gierung finde zwar nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeite, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Ein solcher Fall scheide hier jedoch offenkundig aus. Die angegriffene Sperrungs­a­n­ordnung könne auch nicht auf die Auffan­ger­mäch­tigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen könne. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffan­ger­mäch­tigung stehe insoweit die spezi­al­ge­setzliche Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen, die eine abschließende Regelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glückss­pie­l­an­gebote gegen Diensteanbieter enthalte.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

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