Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2003 parkte eine Autofahrerin ihr Fahrzeug zum Teil verbotswidrig auf einem Gehweg. Sie wurde daraufhin von einem anwesenden Polizeibeamten dazu aufgefordert das Fahrzeug umzuparken. Sie weigerte sich jedoch mit der Begründung, dass sie nur schnell ihr Kind zum nahegelegenen Kindergarten bringen wolle und unter Zeitnot leide, dem nachzukommen. Der Polizeibeamte ordnete aufgrund der Weigerung das Abschleppen des Fahrzeugs an. Er befürchtete angesichts des nahegelegenen Kindergartens und einer Seniorenanlage, dass es zu einer Behinderung und Gefährdung von Fußgängern mit Kinderwagen sowie Schwerbehinderten mit Rollstuhl kommen könne, wenn diese angesichts des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs auf die Fahrbahn oder den Radweg ausweichen müssen. Zudem habe die Autofahrerin wiederholt verkehrswidrig geparkt und sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, dass das Fahrzeug in Zukunft abgeschleppt werde. Bevor es jedoch zum Abschleppen kommen konnte, kehrte die Autofahrerin vom Kindergarten zurück und fuhr das Fahrzeug weg. Nachfolgend sollte sie die Kosten für den abgebrochenen Abschleppvorgang in Höhe von 90,24 EUR zahlen. Dagegen wehrte sie sich jedoch und erhob schließlich Klage.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hielt die Abschleppanordnung für rechtmäßig, insbesondere für verhältnismäßig, und wies daher die Klage ab. Die Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer habe nach Ansicht des Gerichts nur durch das Abschleppen beseitigt werden können. Die Angabe der baldigen Rückkehr sei unerheblich gewesen. Denn für den Polizeibeamten sei diese angesichts der möglichen Verzögerungen bei der Abgabe des Kindes im Kindergarten völlig ungewiss gewesen. Er habe die Autofahrerin auch nicht im Kindergarten aufsuchen müssen. Zudem sei zu beachten gewesen, dass die Autofahrerin ein besonders rechtsfeindliches Verhalten zeigte. Ein Vertrauen auf die baldige Rückkehr sei daher nicht angezeigt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Autofahrerin Berufung ein.
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschied zu Gunsten der Autofahrerin und hob daher die erstinstanzliche Entscheidung auf. Die Abschleppanordnung sei seiner Ansicht nach unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen.
Aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts sei die Anordnung zum Abschleppen des Fahrzeugs unverhältnismäßig gewesen, da nach den konkreten Umständen des Falls mit einer Rückkehr der Autofahrerin innerhalb einer kurzen Zeit zu rechnen war. So habe die Autofahrerin angegeben, sie wolle nur schnell ihr Kind in den nahegelegenen Kindergarten bringen und sei zudem in Zeitnot. Die Dauer der Behinderung und Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer sei daher nicht ungewiss, sondern vielmehr zeitlich erkennbar eng begrenzt gewesen. Das Abschleppen des Fahrzeugs habe die Behinderung daher allenfalls um einige Minuten verkürzen können. Dies rechtfertige aber nicht die Anordnung einer solchen Maßnahme. Darüber hinaus sei angesichts der angeführten Zeitnot der Autofahrerin nicht damit zu rechnen gewesen, dass sie sich noch lange im Kindergarten aufhält.
Es sei außerdem unerheblich gewesen, so das Oberverwaltungsgericht weiter, dass die Autofahrerin bewusst die Anordnung des Polizeibeamten ignorierte und bereits wiederholt verkehrswidrig parkte. Ein solches Verhalten rechtfertige nicht eine Abschleppanordnung. Denn diese sei nicht auf eine Bestrafung von hartnäckigen Parksündern ausgerichtet, sondern darauf, als letztes Mittel eine unmittelbare Gefahr abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen.
Das Oberverwaltungsgericht verwies darauf, dass hartnäckige Parksünder mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts, wie etwa der Erhebung von Verwarnungsgeldern und der Verhängung von gegebenenfalls sogar erhöhten Bußgeldern, begegnet werden könne. Zudem könne der wiederholte Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften Zweifel an der Eignung zum Führen eines Fahrzeugs begründen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2014
Quelle: Oberverwaltungsgericht Hamburg, ra-online (vt/rb)