18.10.2024
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Dokument-Nr. 18513

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Urteil08.06.2011Oberverwaltungsgericht Hamburg5 Bf 124/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2012, 105Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2012, Seite: 105
  • JA 2012, 79Zeitschrift: Juristische Arbeitsblätter (JA), Jahrgang: 2012, Seite: 79
  • NJW 2011, 3051Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2011, Seite: 3051
  • zfs 2011, 652Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2011, Seite: 652
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Vorinstanz:
  • Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil08.02.2008, 19 K 2894/06
ergänzende Informationen

Oberverwaltungsgericht Hamburg Urteil08.06.2011

Bei zu erwartender baldiger Rückkehr des Autofahrers ist eine Abschlepp­an­ordnung unver­hält­nismäßigAbschlepp­an­ordnung dient nicht als Bestrafung für hartnäckige Parksünder

Ist dem Polizeibeamten bekannt, dass ein Autofahrer zeitnah zurückkehrt, so ist die Anordnung des Abschleppens des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs unver­hält­nismäßig und damit unzulässig. Das Abschleppen eines Fahrzeugs darf auch nicht zur Bestrafung eines hartnäckigen Parksünders angeordnet werden. Dies hat das Ober­verwaltungs­gericht Hamburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2003 parkte eine Autofahrerin ihr Fahrzeug zum Teil verbotswidrig auf einem Gehweg. Sie wurde daraufhin von einem anwesenden Polizeibeamten dazu aufgefordert das Fahrzeug umzuparken. Sie weigerte sich jedoch mit der Begründung, dass sie nur schnell ihr Kind zum nahegelegenen Kindergarten bringen wolle und unter Zeitnot leide, dem nachzukommen. Der Polizeibeamte ordnete aufgrund der Weigerung das Abschleppen des Fahrzeugs an. Er befürchtete angesichts des nahegelegenen Kindergartens und einer Seniorenanlage, dass es zu einer Behinderung und Gefährdung von Fußgängern mit Kinderwagen sowie Schwer­be­hin­derten mit Rollstuhl kommen könne, wenn diese angesichts des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs auf die Fahrbahn oder den Radweg ausweichen müssen. Zudem habe die Autofahrerin wiederholt verkehrswidrig geparkt und sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, dass das Fahrzeug in Zukunft abgeschleppt werde. Bevor es jedoch zum Abschleppen kommen konnte, kehrte die Autofahrerin vom Kindergarten zurück und fuhr das Fahrzeug weg. Nachfolgend sollte sie die Kosten für den abgebrochenen Abschlepp­vorgang in Höhe von 90,24 EUR zahlen. Dagegen wehrte sie sich jedoch und erhob schließlich Klage.

Verwal­tungs­gericht wies Klage ab

Das Verwal­tungs­gericht Hamburg hielt die Abschlepp­an­ordnung für rechtmäßig, insbesondere für verhältnismäßig, und wies daher die Klage ab. Die Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer habe nach Ansicht des Gerichts nur durch das Abschleppen beseitigt werden können. Die Angabe der baldigen Rückkehr sei unerheblich gewesen. Denn für den Polizeibeamten sei diese angesichts der möglichen Verzögerungen bei der Abgabe des Kindes im Kindergarten völlig ungewiss gewesen. Er habe die Autofahrerin auch nicht im Kindergarten aufsuchen müssen. Zudem sei zu beachten gewesen, dass die Autofahrerin ein besonders rechts­feind­liches Verhalten zeigte. Ein Vertrauen auf die baldige Rückkehr sei daher nicht angezeigt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Autofahrerin Berufung ein.

Oberver­wal­tungs­gericht bejahte Rechts­wid­rigkeit der Abschlepp­an­ordnung

Das Oberver­wal­tungs­gericht Hamburg entschied zu Gunsten der Autofahrerin und hob daher die erstin­sta­nzliche Entscheidung auf. Die Abschlepp­an­ordnung sei seiner Ansicht nach unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen.

Unver­hält­nis­mä­ßigkeit der Abschlepp­maßnahme

Aus Sicht des Oberver­wal­tungs­ge­richts sei die Anordnung zum Abschleppen des Fahrzeugs unver­hält­nismäßig gewesen, da nach den konkreten Umständen des Falls mit einer Rückkehr der Autofahrerin innerhalb einer kurzen Zeit zu rechnen war. So habe die Autofahrerin angegeben, sie wolle nur schnell ihr Kind in den nahegelegenen Kindergarten bringen und sei zudem in Zeitnot. Die Dauer der Behinderung und Gefährdung der anderen Verkehrs­teil­nehmer sei daher nicht ungewiss, sondern vielmehr zeitlich erkennbar eng begrenzt gewesen. Das Abschleppen des Fahrzeugs habe die Behinderung daher allenfalls um einige Minuten verkürzen können. Dies rechtfertige aber nicht die Anordnung einer solchen Maßnahme. Darüber hinaus sei angesichts der angeführten Zeitnot der Autofahrerin nicht damit zu rechnen gewesen, dass sie sich noch lange im Kindergarten aufhält.

Bewusste Weigerung eines hartnäckigen Parksünders Anordnungen der Polizei nachzukommen unerheblich

Es sei außerdem unerheblich gewesen, so das Oberver­wal­tungs­gericht weiter, dass die Autofahrerin bewusst die Anordnung des Polizeibeamten ignorierte und bereits wiederholt verkehrswidrig parkte. Ein solches Verhalten rechtfertige nicht eine Abschlepp­an­ordnung. Denn diese sei nicht auf eine Bestrafung von hartnäckigen Parksündern ausgerichtet, sondern darauf, als letztes Mittel eine unmittelbare Gefahr abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen.

Oberver­wal­tungs­gericht verwies auf Möglichkeit des Verwar­nungs­geldes und der Geldbuße

Das Oberver­wal­tungs­gericht verwies darauf, dass hartnäckige Parksünder mit Mitteln des Ordnungs­wid­rig­kei­ten­rechts, wie etwa der Erhebung von Verwar­nungs­geldern und der Verhängung von gegebenenfalls sogar erhöhten Bußgeldern, begegnet werden könne. Zudem könne der wiederholte Verstoß gegen verkehrs­rechtliche Vorschriften Zweifel an der Eignung zum Führen eines Fahrzeugs begründen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Hamburg, ra-online (vt/rb)

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