21.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil27.10.2010

Deutsche Großbank muss Schadens­ersatz an ober­schwäbischen Abwasserzweck­verband zahlenBank verschweigt bei Beratung wichtige Informationen

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat eine deutsche Großbank dazu verurteilt, Schadensersatz in Höhe von 710.000 Euro an einen ihrer Kunden, einen oberschwä­bischen kommunalen Abwas­ser­zweck­verband zu zahlen. Das Gericht hielt die Beratung für fehlerhaft und verneinte gleichzeitig ein Mitverschulden des Kunden.

Die beklagte Bank des zugrunde liegenden Falls hatte einem kommunalen Zweckverband, an dem vier oberschwäbische Gemeinden beteiligt waren, einen Zinsswap-Vertrag ("Swap" = Tausch) zum Zwecke der "Zinsver­bil­ligung" empfohlen. Bei einem Zinsswap vereinbaren die Parteien den Austausch von Zahlungsströmen. Die Bank verpflichtete sich, an den Verband für die Dauer von 5 Jahren Zinsen in Höhe eines festen Zinssatzes (hier: 3 %) aus einem fiktiven Betrag (hier: 5 Million Euro) zu zahlen. Der Verband verpflichtete sich im Gegenzug, einen Zinssatz an die Bank zu zahlen, der sich nach einer komplizierten Rechenformel und in Abhängigkeit zu der Differenz zwischen zwei Inter­ban­ken­zins­sätzen berechnete. Im konkreten Fall handelte es sich um einen so genannten "CMS Spread Sammler-Swap". Dabei gewann die Seite, die während der Laufzeit des Vertrages an die andere Seite weniger zahlen musste.

Risikoberatung seitens der Bank strittig

Der Zweckverband macht die beklagte Bank für Verluste von 710.000,- Euro verantwortlich, die im Zusammenhang mit einem im Sommer 2005 abgeschlossenen Zinssatz-Swap entstanden sind. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die beklagte Bank vor Abschluss des Vertrages über die Risiken richtig beraten hatte.

LG Ulm weist Klage ab

In der Vorinstanz hatte das Landgericht Ulm die Klage des Abwas­ser­zweck­ver­bandes (Kläger) abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte nun vor dem 9. Zivilsenat Erfolg.

Bank muss über höhere Verlust­wahr­schein­lichkeit informieren

Der Bankensenat hielt an seiner früheren Entscheidung vom 26. Februar 2010 zu Swap-Verträgen fest, wonach diese als ein von der Bank konstruiertes Glücksspiel anzusehen seien. Die Bank müsse darüber aufklären, dass sie die Chancen zum Nachteil des Kunden gestaltet habe und dieser nach den anerkannten Wahrschein­lich­keits­mo­dellen eine höhere Verlust­wahr­schein­lichkeit habe.

Verband durfte keine riskanten Geldan­la­ge­ge­schäfte abschließen

Mit Blick auf den Verband als kommunales Versor­gungs­un­ter­nehmen beanstandete das Oberlan­des­gericht ein nicht anlegergerechte Beratung der Bank. Die Beklagte habe auch gewusst, dass der kommunale Verband keine riskanten Geldan­la­ge­ge­schäfte abschließen dürfe. Es habe sich um ein für diesen unzulässiges Speku­la­ti­o­ns­ge­schäft gehandelt.

Verband trägt kein Mitverschulden

Der Senat verneinte ein Mitverschulden des Verbands. Die Bank sei als Expertin für kommunales Finanz­ma­na­gement mit hohem Fachwissen aufgetreten. Sie habe das kommu­na­l­rechtliche Speku­la­ti­o­ns­verbot gerade zum Gegenstand ihrer Beratung für den Kläger gemacht. Der Verband habe ihr daher vertrauen und annehmen dürfen, dass diese Geschäfte zulässig seien.

Vorgehen der Bank war unseriös

Die Bank habe ihrem Kunden verschwiegen, dass die Gewinn- und Verlustchancen von Swap-Verträgen nur auf der Grundlage von anerkannten Bewer­tungs­mo­dellen beurteilt werden könnten, die auf hoch komplexen Wahrschein­lich­keits­be­rech­nungen beruhen. Das Ergebnis der Berechnungen, der anfängliche Marktwert des Vertrages, sei von zentraler Bedeutung für die Risiko­ab­schätzung. Die Bank habe dem Verband daher nicht den falschen Eindruck vermitteln dürfen, er könne die Erfolgs­aus­sichten der angebotenen Verträge auf der Grundlage seiner "Zinsmeinung" über die voraus­sichtliche Entwicklung der Inter­ban­kensätze abschätzen, ohne den Marktwert zu kennen. Ein solches Vorgehen sei unseriös: Der Verband sei ein Risiko von 1 Million Euro mit einer Vertragsbindung von 5 Jahren eingegangen. Es sei jedoch unmöglich, die Zinsentwicklung ohne Rechenmodelle für einen so langen Zeitraum zuverlässig zu prognostizieren.

Bank nutzt Unwissenheit des Kunden aus

Der Senat beanstandete, dass die Bank bei einem derartigen Vorgehen die Unwissenheit des Kunden über den Marktwert ausnutze und dadurch in der Lage sei, sich heimlich an dessen Vermögen zu bedienen. Dem Kunden stünde in Höhe des Marktwertes eine Ausgleichs­zahlung von der Bank zu, weil der Vertrag für ihn ungünstig sei. Dabei habe die Bank den Swap-Vertrag und die Höhe des Marktwertes mit Hilfe ihrer Bewer­tungs­modelle konstruiert. Die Bank hatte sich selbst im Prozess noch geweigert, dem Oberlan­des­gericht den Marktwert zu benennen, und gab lediglich eine Größenordnung an. Das Gericht bemängelte, dass die Bank den Marktwert dem Kunden verheimliche, weil sie der Auffassung sei, ihr stehe eine Vergütung für ihre Leistungen zu. Die Bank müsse aber, so der Senat, offen legen, welche Vergütung sie für ihre Leistungen haben wolle und dürfe nicht einfach die Ausgleichs­zahlung einbehalten.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ ra-online

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