Dokument-Nr. 9308
Permalink https://urteile.news/
Oberlandesgericht Stuttgart Urteil26.02.2010
OLG Stuttgart: Bank zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verlusten aus Zinsswap-Verträgen verpflichtetKundin trägt bei mangelhafter Aufklärung über Risiken kein Mitverschulden
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat ein deutsches Kreditinstitut verurteilt, an einen Bankkunden Schadensersatz in Höhe von über 1,5 Millionen Euro zu zahlen. Es verneinte eine Mitschuld des Kunden, da die Bank selbst die Zinsswap-Verträge mit Hilfe ihrer Risikomodelle so konstruiert habe, dass der Kunde wahrscheinlich einen Verlust erleiden werde.
Im zugrunde liegenden Fall hatte die Bank ihrem Kunden, einem großen mittelständischen Unternehmen, zwei Zinsswap-Verträge zum Zwecke der „Zinsoptimierung“ angeboten und empfohlen. Bei einem Zinsswap vereinbaren die Parteien den Austausch von Zahlungsströmen. Die Bank verpflichtete sich, an den Kunden für die Dauer von 5 Jahren Zinsen in Höhe eines festes Zinssatzes aus einem fiktiven Betrag (hier 5 Millionen Euro) zu zahlen. Der Kunde verpflichtete sich im Gegenzug, einen nach einer komplizierten Rechenformel und in Abhängigkeit zu der Kursentwicklung von Interbankenzinssätzen zu berechnenden Zinssatz an die Bank zu zahlen. Dabei gewinnt die Seite, die während der Laufzeit des Vertrages an die andere Seite weniger gezahlt hat. Dem Kunden ist ein Schaden in Höhe von über 1,5 Millionen Euro entstanden.
Landgericht sieht 50prozentiges Mitverschulden der Kundin
In der Vorinstanz hat das Landgericht Stuttgart der Klage des Kunden (Klägerin) unter Berücksichtigung eines 50prozentigen Mitverschuldens stattgegeben. Nur die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.
Swap-Verträge stellen nach Ansicht des OLG eine Art von Glücksspiel dar
Das Oberlandesgericht verneinte nun ein Mitverschulden des Kunden und beurteilt den Sachverhalt so: Die Bank habe ihrem Kunden verschwiegen, dass die Gewinn- und Verlustchancen von Swap-Verträgen nur auf der Grundlage von in der Finanzwirtschaft vorgeschriebenen Wahrscheinlichkeitsberechnungen mit Risikomodellen beurteilt werden können. Sie habe dem Kunden daher nicht den falschen Eindruck vermitteln dürfen, er könne die Erfolgsaussichten der angebotenen Verträge auf der Grundlage seiner „Zinsmeinung“ über die voraussichtliche Entwicklung der Interbankensätze abschätzen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts handelt es sich bei dem Swap-Vertrag um eine Art von Glücksspiel, das der Kunde mit seiner pauschalen Zinsmeinung gegen die Bank mit ihren hoch entwickelten Rechenmodellen spiele. Dies sei dem Kunden nicht bewusst.
Bei Verlustwahrscheinlichkeit darf Bank keine Geschäfte zur „Zinsoptimierung“ anbieten
Weiter beanstandet das Oberlandesgericht, dass die Bank selbst die Zinsswap-Verträge mit Hilfe ihrer Risikomodelle so konstruiert habe, dass der Kunde wahrscheinlich einen Verlust erleiden werde. Die Bank sei als Beraterin verpflichtet, die Interessen ihrer Kunden zu wahren. Ihr sei bekannt, dass ihre Kunden Gewinne erzielen wollen. Sie dürfe daher kein Geschäft zur „Zinsoptimierung“ anbieten oder gar empfehlen, wenn sie einen Verlust des Kunden für wahrscheinlich halte. Schließlich beanstandete das Oberlandesgericht inhaltlich fehlerhafte Informationsunterlagen der Bank. Unter diesen Umständen sei für ein Mitverschulden des Kunden kein Platz.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.03.2010
Quelle: ra-online, OLG Stuttgart
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil9308
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.