23.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 28556

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil17.03.2020

OLG Stuttgart zur Haftung nach Unfall mit Schwer­ver­letzten in einer KletteranlageBetriebs­führer­gesell­schaft der Kletteranlage zu überwiegenden Haftung verurteilt

Ein Mann, der in einer Kletterhalle in Stuttgart von einem abstürzenden Kletterer schwer verletzt wurde, hat Anspruch auf Schadensersatz. Das Oberlan­des­gericht Stuttgart nun entschieden, dass der Betreiber der Anlage dem Mann aus der Verletzung einer Verkehrs­sicherungs­pflicht zu 75 % haftet.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Unfall ereignete sich im Oktober 2011 in einem Durch­gangs­bereich zwischen zwei Kletterhallen. In diesem ca. 2,80 m breiten und ca. 8 m langen Durchgang befanden sich damals (die Situation ist heute eine andere) an beiden Seitenwänden Kletter­vor­rich­tungen, auf der einen Seite zum Seil-Klettern, auf der anderen Seite insbesondere für Kinder und Jugendliche zum Bouldern. Der Kläger, der zum Unfallzeitpunkt selbst weder kletterte noch sicherte, wurde durch einen herabstürzenden Kletterer getroffen; er erlitt u.a. mehrfache Frakturen der Wirbelsäule und ist seither querschnitts­gelähmt.

LG: Haftung zu 100 Prozent bei sichernde Frau

Der Kläger hat deswegen den herabstürzenden Kletterer und die diesen mit Seil und Sicherungsgerät sichernde Frau sowie die Betrie­bs­führerin der Kletteranlage beim Landgericht Stuttgart auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mehr als 600.000 € verklagt. Das Landgericht hat die streitigen Fragen der Höhe der Ansprüche zurückgestellt und in einem sehr aufwändigen Verfahren mit Zeugen und mehreren Sachver­ständigen zunächst nur über die Haftung dem Grunde nach entschieden. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass gegen den kletternden Mann kein Anspruch bestehe. Insoweit hat der Kläger das Urteil des Landgerichts akzeptiert. Dagegen greift er mit seiner Berufung das erstin­sta­nzliche Urteil an, wonach die Betrie­bs­führerin der Kletteranlage ihm gegenüber nicht hafte. Umgekehrt greift die damals sichernde Frau das Urteil des Landgerichts, wonach sie dem Kläger zu 100 % hafte, mit ihrer Berufung an.

OLG verneint Haftung der sichernden Frau

Beide Berufungen hatten (teilweise) Erfolg. Dem Kläger ist es nicht gelungen, ein fahrlässiges Fehlverhalten der sichernden Frau zu beweisen. Dass die beklagte Frau – die sich in erster Linie auf den Kletterer zu konzentrieren hatte – erkannte, dass der Kläger im Sturzbereich stand, war im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Dazuhin ist der Senat nach einer detaillierten Befragung des Sachver­ständigen nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte einen Siche­rungs­fehler begangen hat. Nach den nachvoll­ziehbaren und das Gericht überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachver­ständigen ist nämlich nicht auszuschließen, dass es durch eine Verkettung unglücklicher, der Beklagten nicht im Sinne einer Fahrlässigkeit vorzuwerfender Umstände zu dem bodennahen Sturz des Kletterers kam. Der Senat hat insoweit auch festgestellt, dass eine nähere Aufklärung, etwa durch ein weiteres Sachver­stän­di­gen­gut­achten, nicht möglich ist.

Haftung bei Betrie­bs­füh­rer­ge­sell­schaft wegen Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht

In Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts hat das Oberlan­des­gericht im Berufungs­ver­fahren entschieden, dass die Betrie­bs­füh­rer­ge­sell­schaft durch die damalige Anlage von zahlreichen Kletter- und Boulderrouten in dem relativ engen und häufig stark frequentierten Durchgang zwischen zwei Kletterhallen ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt hat, weil es für deren verantwortliche Mitarbeiter vorhersehbar und vermeidbar war, dass durch die räumliche Enge in dem Durch­gangs­bereich Personen viel häufiger als an anderen Stellen der Anlage in den Sturzraum von Kletterern geraten.

Opfer hätte Gefahr erkennen müssen und hafte daher zu 25 Prozent

Der Berufungssenat ist jedoch der Rechts­auf­fassung des Landgerichts nicht gefolgt, die von der Betrie­bs­führerin geschaffene räumliche Situation in dem Durch­gangs­bereich sei für den Unfall nicht ursächlich. Die – wie der Unfall zeigt, unzutreffende – damalige Meinung des Klägers, er befinde sich von der Kletterwand aus gesehen hinter der Sichernden niemals im gefährlichen Sturzraum des Kletterers, gibt keinen Anlass zu unterstellen, der Kläger hätte sich auch dann nicht weiter von der Gefahrenzone entfernt, wenn dies räumlich möglich gewesen wäre. Allerdings ist das Oberlan­des­gericht davon überzeugt, dass auch der Kläger, selbst ein Kletterer, die Gefah­ren­si­tuation hätte erkennen und vermeiden können und dass ihn deswegen ein Mitverschulden an dem Unfall trifft. In Abwägung der Verur­sa­chungs­beiträge der Betrie­bs­füh­rer­ge­sell­schaft und des Klägers sieht der Senat in seinem Grundurteil die überwiegende Haftung bei der Betrie­bs­führerin der Kletteranlage, so dass das Mitverschulden des Klägers lediglich mit 25 % zu bewerten ist.

Über die Höhe der Ansprüche muss noch verhandelt werden

In einem zweiten Schritt wird nun auf der Basis dieser Quote über die Höhe der Ansprüche des Klägers gegen die Betrie­bs­füh­rer­ge­sell­schaft Beweis zu erheben und zu entscheiden sein – falls sich die Parteien insoweit nicht noch einigen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (pm/ab)

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