Oberlandesgericht Stuttgart Urteil22.05.2017
Privatperson darf Bilder der im Museum abfotografierten Gemälde nicht im Internet veröffentlichenOLG Stuttgart entscheidet über urheberrechtliche Fragen zu Fotografien von in Museen ausgestellten Gemälden
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass es einer Privatperson nicht gestattet ist, im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit Fotografien von im Eigentum des Reiss-Engelhorn-Museum stehenden Gemälden anzufertigen und diese in der Mediendatenbank des Internet-Lexikons Wikipedia hochzuladen.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist die Stadt Mannheim, die das Reiss-Engelhorn-Museum betreibt. Der Beklagte ist eine Privatperson. Er hat – im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit – Fotografien von im Eigentum der Klägerin stehenden Ausstellungsobjekten in Wikimedia Commons, die Mediendatenbank des Internet-Lexikons Wikipedia, hochgeladen. Zum einen handelt es sich um aus einem Katalog eingescannte Fotografien eines Angestellten der Stadt Mannheim, der als "Hausfotograf" für die Klägerin tätig war. Zum anderen hat der Beklagte im Mai 2007 im Museum selbst Fotografien angefertigt.
OLG untersagt Veröffentlichung der Fotos unter Androhung eines Ordnungsgeldes
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat es dem Beklagten in beiden Fällen bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, die Fotografien (weiterhin) in der Mediendatenbank Wikimedia Commons öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigte das Oberlandesgericht damit im Wesentlichen. Nur in Bezug auf eine Fotografie, für die die Urheberschaft des "Hausfotografen" nicht nachweisbar war, hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts Stuttgart abgeändert und die Klage abgewiesen.
Auch eingescannte und hochgeladene Fotografien sind als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG anzusehen
In der Urteilsbegründung führt das Gericht hinsichtlich der eingescannten und hochgeladenen Fotografien (u.a.) aus, dass diese jedenfalls als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG anzusehen sind. Ob die streitgegenständlichen Fotografien darüber hinaus auch als Lichtbilder im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG schutzfähig sind, konnte das Gericht offen lassen. Soweit der Beklagte (sogar) ihren Lichtbildcharakter in Frage stellt, da es nur um die Abbildung des Gemäldes in möglichst identischer unveränderter Form gehe und das fotografierte Objekt nur substituiert werden solle, folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Die möglichst exakte Fotografie eines Gemäldes sei zwar auch eine Vervielfältigung des Gemäldes. Wegen des vom Gesetz vorgesehenen Schutzes für Lichtbildwerke und Lichtbilder sei aber ein eigenständiger Schutz notwendig, weil ansonsten der gesetzlich gewollte Werkschutz für die eigenständig geschaffene Fotografie leerlaufen würde.
Schilder mit durchgestrichener Kamera weisen seit 2007 auf Fotografierverbot hin
Bezüglich der vom Beklagten selbst gefertigten und hochgeladenen Fotografien leitet das Oberlandesgericht den Unterlassungsanspruch aus der sogenannten Sanssouci-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Besichtigungsvertrag her. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen festgehalten, das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen stehe dem Grundstückseigentümer zu, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 324/13 -). Da der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil maßgeblich auf die Eigentumsrechte aus § 903 BGB abgestellt hat, bejahte das Oberlandesgericht die – bislang nicht höchstrichterlich geklärte – Frage der Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf bewegliche Sachen. Zudem bestehe ein vertraglicher Unterlassungsanspruch auf Grundlage des Besichtigungsvertrags zwischen den Parteien bei dem maßgeblichen Museumsbesuch. Die Beweisaufnahme habe bestätigt, dass Schilder mit durchgestrichener Kamera bereits im Mai 2007 angebracht waren. Das sich hieraus ergebende Fotografierverbot sieht das Gericht als rechtlich wirksame Bedingung des Besichtigungsvertrags an.
Relevante Normen
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz (UrhG)
Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
[...]
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden [...]
§ 72 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG)
Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.
§ 903 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.06.2017
Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online