18.10.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil22.05.2017

Privatperson darf Bilder der im Museum abfoto­gra­fierten Gemälde nicht im Internet veröffentlichenOLG Stuttgart entscheidet über urheber­rechtliche Fragen zu Fotografien von in Museen ausgestellten Gemälden

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat entschieden, dass es einer Privatperson nicht gestattet ist, im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit Fotografien von im Eigentum des Reiss-Engelhorn-Museum stehenden Gemälden anzufertigen und diese in der Mediendatenbank des Internet-Lexikons Wikipedia hochzuladen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist die Stadt Mannheim, die das Reiss-Engelhorn-Museum betreibt. Der Beklagte ist eine Privatperson. Er hat – im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit – Fotografien von im Eigentum der Klägerin stehenden Ausstel­lungs­ob­jekten in Wikimedia Commons, die Mediendatenbank des Internet-Lexikons Wikipedia, hochgeladen. Zum einen handelt es sich um aus einem Katalog eingescannte Fotografien eines Angestellten der Stadt Mannheim, der als "Hausfotograf" für die Klägerin tätig war. Zum anderen hat der Beklagte im Mai 2007 im Museum selbst Fotografien angefertigt.

OLG untersagt Veröf­fent­lichung der Fotos unter Androhung eines Ordnungsgeldes

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat es dem Beklagten in beiden Fällen bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, die Fotografien (weiterhin) in der Mediendatenbank Wikimedia Commons öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigte das Oberlan­des­gericht damit im Wesentlichen. Nur in Bezug auf eine Fotografie, für die die Urheberschaft des "Hausfotografen" nicht nachweisbar war, hat das Oberlan­des­gericht das Urteil des Landgerichts Stuttgart abgeändert und die Klage abgewiesen.

Auch eingescannte und hochgeladene Fotografien sind als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG anzusehen

In der Urteils­be­gründung führt das Gericht hinsichtlich der eingescannten und hochgeladenen Fotografien (u.a.) aus, dass diese jedenfalls als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG anzusehen sind. Ob die streit­ge­gen­ständ­lichen Fotografien darüber hinaus auch als Lichtbilder im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG schutzfähig sind, konnte das Gericht offen lassen. Soweit der Beklagte (sogar) ihren Licht­bild­cha­rakter in Frage stellt, da es nur um die Abbildung des Gemäldes in möglichst identischer unveränderter Form gehe und das fotografierte Objekt nur substituiert werden solle, folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Die möglichst exakte Fotografie eines Gemäldes sei zwar auch eine Verviel­fäl­tigung des Gemäldes. Wegen des vom Gesetz vorgesehenen Schutzes für Lichtbildwerke und Lichtbilder sei aber ein eigenständiger Schutz notwendig, weil ansonsten der gesetzlich gewollte Werkschutz für die eigenständig geschaffene Fotografie leerlaufen würde.

Schilder mit durch­ge­stri­chener Kamera weisen seit 2007 auf Fotogra­fier­verbot hin

Bezüglich der vom Beklagten selbst gefertigten und hochgeladenen Fotografien leitet das Oberlan­des­gericht den Unter­las­sungs­an­spruch aus der sogenannten Sanssouci-Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs und aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Besich­ti­gungs­vertrag her. Der Bundes­ge­richtshof hat in mehreren Entscheidungen festgehalten, das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen stehe dem Grund­s­tücks­ei­gentümer zu, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 324/13 -). Da der Bundes­ge­richtshof in dem genannten Urteil maßgeblich auf die Eigentumsrechte aus § 903 BGB abgestellt hat, bejahte das Oberlan­des­gericht die – bislang nicht höchst­rich­terlich geklärte – Frage der Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf bewegliche Sachen. Zudem bestehe ein vertraglicher Unter­las­sungs­an­spruch auf Grundlage des Besich­ti­gungs­vertrags zwischen den Parteien bei dem maßgeblichen Museumsbesuch. Die Beweisaufnahme habe bestätigt, dass Schilder mit durch­ge­stri­chener Kamera bereits im Mai 2007 angebracht waren. Das sich hieraus ergebende Fotogra­fier­verbot sieht das Gericht als rechtlich wirksame Bedingung des Besich­ti­gungs­vertrags an.

Relevante Normen

Erläuterungen

§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Urheber­rechts­gesetz (UrhG)

Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

[...]

5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden [...]

§ 72 Abs. 1 Urheber­rechts­gesetz (UrhG)

Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

§ 903 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

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