21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil20.12.2018

Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidi­men­si­onalen Werken genießen LichtbildschutzMuseum kann bei Verstoß gegen Fotogra­fie­verbot Unterlassung der öffentlichen Zugäng­lich­machung der Bilder verlangen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidi­men­si­onalen Werken regelmäßig Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen. Zudem entschied der Bundes­ge­richtshof, dass der Träger eines kommunalen Kunstmuseums von einem Besucher, der unter Verstoß gegen das im Besichtigungs­vertrag mittels Allgemeiner Geschäfts­bedingungen vereinbarte Fotogra­fier­verbot Fotografien im Museum ausgestellter Werke anfertigt und im Internet öffentlich zugänglich macht, als Schadensersatz Unterlassung der öffentlichen Zugäng­lich­machung verlangen kann.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Sie ließ im Jahr 1992 durch einen Mitarbeiter dort ausgestellte Kunstwerke fotografieren und veröffentlichte diese Fotografien in einer Publikation.

Sachverhalt

Der Beklagte ist ehrenamtlich für die deutsch­sprachige Ausgabe des Internet Lexikons Wikipedia mit dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons tätig. Der Beklagte lud Fotografien in die Mediendatenbank Wikimedia Commons hoch und stellte sie zum öffentlichen Abruf bereit. Auf den Fotografien sind Werke - Gemälde und andere Objekte - aus der im Eigentum der Klägerin stehenden Sammlung zu sehen. Diese Werke sind sämtlich gemeinfrei, also wegen Ablaufs der Schutzfrist (§ 64 UrhG) urheber­rechtlich nicht mehr geschützt. Bei den Fotografien handelte es sich teilweise um Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin, die der Beklagte zuvor eingescannt hatte. Die übrigen Fotos hatte der Beklagte bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst angefertigt und Wikimedia Commons unter Verzicht auf sein Urheberrecht zur Verfügung gestellt.

Klägerin verweist auf Urheber- und Leistungs­schutz­rechte sowie auf Verletzung des Fotogra­fie­verbots

Die Klägerin nahm den Beklagten auf Unterlassung und Ersatz der vorge­richt­lichen Rechts­an­walts­kosten in Anspruch. Sie stützte ihren Unter­las­sungs­an­spruch hinsichtlich der vom Beklagten eingescannten Fotografien auf Urheber- und Leistungs­schutz­rechte. Hinsichtlich der vom Beklagten selbst erstellten Fotografien berief sie sich auf eine Verletzung des mit dem Beklagten geschlossenen Besich­ti­gungs­vertrags, der ein Fotogra­fier­verbot enthalte, sowie auf eine Verletzung ihres Eigentums an den ausgestellten Objekten.

Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten blieb - soweit für die Revision von Bedeutung - ohne Erfolg.

BGH: Fotografie eines Gemäldes genießt Lichtbildschutz

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision des Beklagten zurück und führte zur Begründung aus, dass das Hochladen der eingescannten Bilder aus der Publikation der Klägerin das der Klägerin vom Fotografen übertragene Recht, die Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 72 Abs. 1 UrhG, § 19 a UrhG) verletze. Die Fotografie eines Gemäldes genieße Lichtbildschutz nach § 72 Abs. 1 UrhG. Bei ihrer Anfertigung habe der Fotograf Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen. Deshalb würden solche Fotografien regelmäßig - so auch im Streitfall - das für den Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erreichen.

Verstoß gegen vertraglich vereinbartes Fotogra­fier­verbot

Mit der Anfertigung eigener Fotografien anlässlich eines Museumsbesuchs habe der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Fotogra­fier­verbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benut­zungs­ordnung und aushängende Piktogramme mit einem durch­ge­stri­chenen Fotoapparat stellen Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen dar, die wirksam in den privat­recht­lichen Besich­ti­gungs­vertrag einbezogen worden seien und der Inhalts­kon­trolle standhielten. Die Klägerin könne als Schadensersatz wegen der Vertrags­ver­letzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlasse, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stelle ein äquivalent und adäquat kausales Schadens­ge­schehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertrags­ver­letzung aufweise.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 64 UrhG:

Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beein­träch­tigung, bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 72 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

§ 19 a UrhG:

Das Recht der öffentlichen Zugäng­lich­machung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 280 Abs. 1 BGB:

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

§ 249 Absatz 1 BGB:

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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