21.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil19.05.2009

Tatbestand der Volksverhetzung durch Plaka­tie­rungs­aktion und Beleidigung des Fußballspielers Gerald Asamoah erfülltVeröf­fent­lichung der Plakate zu Beginn der WM 2006 beinhaltete Gefahr Aggres­si­ons­be­reit­schaft gegenüber angeblich minderwertigen Bevöl­ke­rungs­gruppen zu wecken

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat in einem Revisi­ons­ver­fahren entschieden, dass eine Plaka­tie­rungs­aktion eines inzwischen 31-jährigen Angeklagten im Juni 2006 auch den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

In erster Instanz war der Angeklagte wegen Beleidigung zum Nachteil des Fußballspielers Gerald Asamoah durch das Amtsgericht Horb a.N. zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,-- € verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte in der Nacht zum 9. Juni 2006 in Freudenstadt und Umgebung an öffentlich zugänglichen Stellen allein oder mit anderen Gesin­nungs­ge­nossen Plakate aufgehängt, von denen er einen Teil bei der zwischen­zeitlich verbotenen rechtsextremen Vereinigung "Schutzbund Deutschland" bestellt hatte.

Zu den Inhalten der Plakate

Diese Plakate hatten folgenden Inhalt: Die in Rot gehaltene Überschrift lautete: "Nein Chita, Du bist nicht Deutschland"; dann folgte eine Portrait-Skizze eines Affen, die beschrieben war mit "Affe Chita, BRD-Zooinsasse"; danach kam die - wiederum in Rot gehaltene - Schrift: "Du bist ein Affe".

Zum anderen handelte es sich um Plakate mit folgendem Inhalt: Die ebenfalls in Rot gehaltene Überschrift lautete auf diesen Plakaten: "Nein Gerald, Du bist nicht Deutschland", sodann folgte eine Portrait-Skizze, die deutlich erkennbar den Fußba­ll­bun­desliga- und Nationalspieler Gerald Asamoah darstellen sollte und die beschrieben war mit "Gerald Asamoah, BRD-Nationalspieler"; darunter stand: "Du bist BRD!".

Fußballer durch Plakataussage in seiner Ehre verletzt

Das Amtsgericht hat ausgeführt:" Wie dem Angeklagten bewusst war, wurden die Plakate "Chita" immer jeweils paarweise mit den "Asamoah"-Plakaten angebracht, wodurch der Fußba­ll­na­ti­o­nal­spieler Gerald Asamoah - wie von dem Angeklagten beabsichtigt - für den Betrachter der Plakate in die Nähe eines Affen gerückt und dadurch in seiner Ehre verletzt wurde."

Diesen Sachverhalt bewertete sowohl das Amtsgericht als auch das mit der Berufung befasste Landgericht Rottweil als Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch). Auf die dagegen von der Staats­an­walt­schaft eingelegte Revision mit dem Ziel, dass der Angeklagte auch wegen Volksverhetzung verurteilt wird, hat das Oberlan­des­gericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an eine andere Berufungs­straf­kammer des Landgerichts Rottweil zurück verwiesen.

Menschen anderer Hautfarbe werden verächtlich gemacht

Das Oberlan­des­gericht hat festgestellt, dass mit der Plaka­tie­rungs­aktion alle hier lebenden ausländischen Mitbürger und deutschen Staats­an­ge­hörigen angesprochen sind, deren Äußeres aufgrund ihrer Hautfarbe nicht den Vorstellungen einer Rassenideologie entspricht, die von der Überlegenheit der weißen Rasse ausgeht. Diese Menschen werden verächtlich gemacht, indem sie mit Affen verglichen und gleichgestellt werden. Ihnen wird das Recht abgesprochen, als Mitglied unserer Gesellschaft an identi­täts­s­tif­tenden Aktionen des deutschen Volkes mitzuwirken.

Aussagen der Plakate schaffen suggestive Wechselwirkung

Mit den paarweise aufgehängten Asamoah- und Chita-Plakaten wird ein Schwa­rz­weiß­denken propagiert, indem der dunkelhäutige Mensch in unmittelbare Nähe, direkt neben den Affen gestellt wird. Der Umstand, dass die Plakate nebeneinander aufgehängt wurden, schafft suggestiv eine Wechselwirkung zwischen den Bildern und Texten der Plakate. Die Aussage: "Du bist ein Affe" wird hierdurch auch auf den farbigen Menschen bezogen. Dies gilt insbesondere, weil die Aussage "BRD-Nationalspieler" neben der Aussage "BRD-Zooinsasse" zu lesen ist und direkt darunter "Du bist BRD" neben "Du bist ein Affe". Damit wird suggeriert, dass alle farbige Menschen mit Affen gleichzustellen seien.

Mit der Überschrift "Du bist nicht Deutschland" wird zudem unmiss­ver­ständlich Bezug genommen auf die zur Tatzeit publi­kums­wirksam über die Medien betriebene Werbekampagne "Du bist Deutschland", die auch der Fußba­ll­na­ti­o­nal­spieler Gerald Asamoah unterstützt hat. Sie hatte als erklärtes Ziel, eine Initialzündung für mehr Eigeninitiative und Zuversicht zu sein. Die Überschrift auf dem Asamoah-Plakat "Du bist nicht Deutschland" spricht vor diesem Hintergrund farbigen Mitbürgern das Recht ab, identi­täts­s­tiftend in unserer Gesellschaft mitzuwirken.

Tatsache, dass Plakate zu Beginn der WM 2006 aufgehängt wurden ist von Bedeutung

Die Tathandlung des Angeklagten war geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Von Bedeutung ist, dass die Tat zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft begangen wurde. In Deutschland hielt sich damals eine Vielzahl von ausländischen Menschen auf, auch solche, die nach ihrem Äußeren und mit ihrer Hautfarbe nicht der oben genannten Rassenideologie entsprachen. Bereits die Fußba­ll­welt­meis­ter­schaft als solche war geeignet, nationale Gefühle jeder Couleur zu wecken. Die hetzerische Plaka­tie­rungs­aktion gerade zu Beginn der Fußba­ll­welt­meis­ter­schaft beinhaltet in dieser Situation zweifelsohne die Gefahr, bei hierfür empfangs­be­reiten Kreisen die Aggres­si­ons­be­reit­schaft gegenüber der angeblich minderwertigen Bevöl­ke­rungs­gruppe zu wecken beziehungsweise zu verstärken.

Es liegt auf der Hand, dass damit zugleich auch das Sicher­heits­gefühl und das Vertrauen auf Rechts­si­cherheit innerhalb der Bevöl­ke­rungs­gruppe erschüttert werden konnte, gegen deren Menschenwürde sich die Tat richtete.

Damit ist der objektive Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Das Landgericht Rottweil wird sich nun noch mit der Frage befassen müssen, ob der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 20.05.2009

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