21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil30.01.2018

Zur Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall zwischen Feuer­wehr­fahrzeug und PkwFahrer von im Einsatz befindlichen Feuer­wehr­fahr­zeugen sind bei Inanspruchnahme von Sonderrechten im Straßenverkehr zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet.

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat entschieden, dass Feuer­wehr­fahrzeuge im Einsatz zwar grundsätzlich Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 Straßen­verkehrs­verordnung in Anspruch nehmen dürfen. Dennoch sind die Fahrer trotz der Dringlichkeit der Einsatzfahrt bei der Inanspruchnahme der Sonderrechte zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte das bei der Beklagten haftpflicht­ver­si­cherte Feuer­wehr­fahrzeug der freiwilligen Feuerwehr einer Umlandgemeinde seinerzeit den Auftrag, wegen einer akuten Hochwasserlage Sandsäcke zu einem Sammeldepot in Steinheim am Albuch/Kreis Heidenheim zu transportieren. Entsprechend der Anordnung des Einsatzleiters, mit Blaulicht und Martinshorn zu fahren, überholte das Feuer­wehr­fahrzeug innerorts den klägerischen Pkw, der am rechten Straßenrand angehalten hatte. Wenige Meter danach hielt der Fahrer des Feuer­wehr­fahrzeugs am linken Straßenrand an, um einen dort stehenden Feuer­wehr­kollegen nach dem schnellsten Weg zum Sammeldepot zu fragen. Wegen der besseren Verständigung schaltete er das Martinshorn aus, nicht aber das Blaulicht. Nach kurzem Zuwarten fuhr der Fahrer des klägerischen Pkw langsam rechts an dem Feuer­wehr­fahrzeug vorbei. Als er an diesem fast vorbei war, fuhr das Feuer­wehr­fahrzeug wieder los und zog zur Mitte der Fahrbahn, worauf die Fahrzeuge kollidierten. Der Fahrer des Feuer­wehr­fahrzeugs hatte dabei weder das Martinshorn eingeschaltet noch den rechten Blinker gesetzt. Er hatte beim Anfahren auch den rechts an ihm vorbeifahrenden Pkw übersehen. Der Kläger hat gegenüber der beklagten Versicherung den Schaden in Höhe von rund 6.400 Euro an seinem Pkw eingeklagt.

Gericht geht von überwiegendem Verschulden des Fahrers des Feuer­wehr­fahrzeugs aus

Das Oberlan­des­ge­richts Stuttgart entschied, dass der Kläger von der beklagten Versicherung zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens ersetzt verlangen kann. Das Gericht ging hierbei von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des Feuer­wehr­fahrzeugs aus. Angesichts der akuten Hochwasserlage habe es sich beim Transport der Sandsäcke um eine Hilfeleistung bei einem öffentlichen Notstand gehandelt. Das Feuer­wehr­fahrzeug habe deswegen Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 Straßen­ver­kehrs­ver­ordnung in Anspruch nehmen dürfen. Hierbei sei das Feuer­wehr­fahrzeug aber nur insoweit von den Vorschriften der Straßen­ver­kehrs­ordnung befreit gewesen, als dies zur Erfüllung der vorliegenden Aufgabe dringend geboten gewesen sei. Danach habe das Feuer­wehr­fahrzeug zwar auf der linken Fahrbahnseite anhalten dürfen, was normalen Fahrzeugen nur in Einbahnstraßen oder dann gestattet sei, wenn auf der rechten Seite Schienen liegen (§ 12 Abs. 4 Satz 4 StVO). Vor dem Anfahren hätte der Fahrer des Feuer­wehr­fahrzeugs aber das Martinshorn einschalten, den Blinker betätigen und kurz zuwarten müssen, damit sich der Verkehr auf eine Fortsetzung der Einsatzfahrt einstellen kann. Der Fahrer hätte sich vor der Weiterfahrt auch vergewissern müssen, dass er den rechten Straßenbereich gefahrlos befahren kann und sich dort keine Fahrzeuge befinden. Diese Maßnahmen hätten zu keiner wesentlichen Verzögerung geführt und deswegen trotz der Dringlichkeit der Einsatzfahrt durchgeführt werden müssen, zumal derjenige, der Sonderrechte in Anspruch nehme, zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet sei.

Pkw-Fahrer hätte mit Fortsetzen der Einsatzfahrt des Feuer­wehr­fahrzeugs rechnen müssen

Der Fahrer des klägerischen Pkw habe erkannt, dass sich der Fahrer des Feuer­wehr­fahrzeugs bei fortdauernd eingeschaltetem Blaulicht mit einem am linken Straßenrand stehenden Passanten unterhalten habe. Der Pkw-Fahrer habe deswegen nicht davon ausgehen dürfen, dass die Einsatzfahrt des Feuer­wehr­fahrzeugs mit dem Anhalten am linken Fahrbahnrand beendet gewesen sei. Er hätte sich vielmehr vergewissern müssen, dass das Feuer­wehr­fahrzeug die Eilfahrt nicht kurzfristig fortsetzt. Die Abwägung der Verschul­dens­beiträge hat das Oberlan­des­gericht dazu bewogen, das mit der Berufung angegriffene Urteil des Landgerichts Ellwangen abzuändern, das von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des Pkw ausgegangen war.

Straßenverkehrs-Ordnung

§ 10 Einfahren und Anfahren

1 Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrs­be­ru­higten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer ausgeschlossen ist; erfor­der­li­chenfalls muss man sich einweisen lassen. 2 Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrt­rich­tungs­an­zeiger zu benutzen. 3 [...]

§ 12 Halten und Parken

Abs. 4 Satz 4: Soweit auf der rechten Seite Schienen liegen sowie in Einbahnstraßen (Zeichen 220) darf links gehalten und geparkt werden.

§ 35 Sonderrechte

Abs. 1: Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katas­tro­phen­schutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

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