Dokument-Nr. 21069
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- DAR 2015, 146Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 146
- Landgericht Stendal, Urteil22.07.2013, 21 O 153/11
Oberlandesgericht Naumburg Urteil20.03.2014
Unfall aufgrund Vorfahrtsverletzung: Hälftige Haftungsverteilung aufgrund deutlich überhöhter Geschwindigkeit des VorfahrtsberechtigtenVorfahrtsberechtigter muss sich aufgrund Geschwindigkeitsüberschreitung Mitverschulden anlasten lassen
Kommt es infolge einer Vorfahrtsverletzung zu einem Verkehrsunfall, so wird regelmäßig das Verschulden des in die Vorfahrtstraße einbiegenden vermutet. Dem Vorfahrtsberechtigten ist jedoch dann ein Mitverschulden anzulasten, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Liegt eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 % vor, so begründet dies eine hälftige Haftungsverteilung. Dies hat das Oberlandesgericht Naumburg entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2010 kam es zwischen einem Traktor und einem Pkw zu einem schweren Verkehrsunfall. Der Pkw-Fahrer befuhr eine etwa 3 m breite Straße, die entlang landwirtschaftlich genutzter Grundstücke führte. Da er auf dem Weg zu einem Feuerwehreinsatz war, befuhr er die Straße mit einer überhöhten Geschwindigkeit von ca. 110 km/h. Zu dieser Zeit beabsichtigte der Fahrer eines Traktors von einem Feldweg auf die Straße einzubiegen. Da ihm die Sicht durch Büsche und Bäume versperrt war, bog der Traktorfahrer mit Schrittgeschwindigkeit in die Straße ein. Dabei geriet die vor seinem Fahrzeug montierte Schaufel in den Straßenraum. Der Pkw-Fahrer bemerkte diese Schaufel zu einem Zeitpunkt, in dem eine Kollision ohne Ausweichbewegung unvermeidlich war. Er bremste daher sein Fahrzeug kurz ab und wich der Schaufel aus seiner Sicht nach links aus. Der Pkw überschlug sich daraufhin mehrmals, wodurch der Fahrer erhebliche Verletzungen davon trug. Er klagte nachfolgend auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro. Das Landgericht Stendal gab der Klage zwar statt, lastete dem Kläger aber ein Mitverschulden wegen der überhöhten Geschwindigkeit an. Gegen diese Entscheidung legte er Berufung ein.
Verletzung des Vorfahrtsrechts begründete Verschulden des Traktorfahrers
Das Oberlandesgericht Naumburg führte zum Fall zunächst aus, dass der Traktorfahrer aufgrund der Sichtbehinderung durch die Büsche und Bäume sowie des Umstands, dass die Schaufel bereits in den Straßenraum hinein ragte, bevor er überhaupt die Fahrtrichtung einsehen konnte, gemäß § 10 StVO einen Einweiser gebraucht habe. Gegen diese Anforderung habe der Traktorfahrer verstoßen. Die dadurch bedingte Vorfahrtsverletzung habe sein Verschulden indiziert. Missachtet der in eine Straße Einfahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs und kommt es deshalb zu einem Unfall, hafte er regelmäßig allein oder zumindest weit überwiegend für die Unfallfolgen.
Deutlich überhöhte Geschwindigkeit des Klägers begründete hälftige Haftungsverteilung
Zu einer vollen oder zumindest überwiegenden Haftung des Einfahrenden komme es jedoch dann nicht, so das Oberlandesgericht weiter, wenn der Vorfahrtsberechtigte mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. In diesem Fall sei ihm ein Mitverschulden anzulasten. So habe der Fall hier gelegen. Zwar sei von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auszugehen gewesen. Jedoch wäre angesichts der Breite der Straße, der deutlichen Sichtbehinderung durch Büsche und Bäume sowie des Umstands, dass auf der Straße mit deutlich langsameren landwirtschaftlichem Verkehr gerechnet werden musste, eine Geschwindigkeit von 70-80 km/h angemessen gewesen. Der Kläger habe somit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um etwa 50 % überschritten. Dies habe eine hälftige Haftungsverteilung gerechtfertigt.
Geschwindigkeitsüberschreitung zwecks Feuerwehreinsatzes unerheblich
Für unerheblich hielt das Oberlandesgericht, dass sich der Kläger auf dem Weg zu einem Feuerwehreinsatz befand. Dies habe die Geschwindigkeitsüberschreitung zwar erklärt. Jedoch stehen nur Einsatzkräften bei der berechtigten Nutzung von Blaulicht und Martinshorn Sonderrechte zu.
Schmerzensgeldhöhe von 13.000 Euro
Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers hielt das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 13.000 Euro für angemessen. Denn der Kläger habe infolge des Unfalls Brüche des 1. und 2. Lendenwirbels und einen verschobenen Bruch des linken Mittelfußknochens erlitten. Er habe sich deswegen mehrmals in stationäre Behandlung begeben müssen und war für mehrere Tage arbeitsunfähig. Zudem litt er unter einer Bewegungsbeeinträchtigung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.05.2015
Quelle: Oberlandesgericht Naumburg, ra-online (vt/rb)
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