21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 21069

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Urteil20.03.2014Oberlandesgericht Naumburg1 U 113/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2015, 146Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 146
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Vorinstanz:
  • Landgericht Stendal, Urteil22.07.2013, 21 O 153/11
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Naumburg Urteil20.03.2014

Unfall aufgrund Vorfahrts­ver­letzung: Hälftige Haftungs­ver­teilung aufgrund deutlich überhöhter Geschwindigkeit des Vorfahrts­berechtigtenVorfahrts­berechtigter muss sich aufgrund Geschwindig­keits­über­schreitung Mitverschulden anlasten lassen

Kommt es infolge einer Vorfahrts­ver­letzung zu einem Verkehrsunfall, so wird regelmäßig das Verschulden des in die Vorfahrtstraße einbiegenden vermutet. Dem Vorfahrts­berechtigten ist jedoch dann ein Mitverschulden anzulasten, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Liegt eine Geschwindig­keits­über­schreitung von 50 % vor, so begründet dies eine hälftige Haftungs­ver­teilung. Dies hat das Oberlan­des­gericht Naumburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2010 kam es zwischen einem Traktor und einem Pkw zu einem schweren Verkehrsunfall. Der Pkw-Fahrer befuhr eine etwa 3 m breite Straße, die entlang landwirt­schaftlich genutzter Grundstücke führte. Da er auf dem Weg zu einem Feuer­wehr­einsatz war, befuhr er die Straße mit einer überhöhten Geschwindigkeit von ca. 110 km/h. Zu dieser Zeit beabsichtigte der Fahrer eines Traktors von einem Feldweg auf die Straße einzubiegen. Da ihm die Sicht durch Büsche und Bäume versperrt war, bog der Traktorfahrer mit Schritt­ge­schwin­digkeit in die Straße ein. Dabei geriet die vor seinem Fahrzeug montierte Schaufel in den Straßenraum. Der Pkw-Fahrer bemerkte diese Schaufel zu einem Zeitpunkt, in dem eine Kollision ohne Ausweich­be­wegung unvermeidlich war. Er bremste daher sein Fahrzeug kurz ab und wich der Schaufel aus seiner Sicht nach links aus. Der Pkw überschlug sich daraufhin mehrmals, wodurch der Fahrer erhebliche Verletzungen davon trug. Er klagte nachfolgend auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro. Das Landgericht Stendal gab der Klage zwar statt, lastete dem Kläger aber ein Mitverschulden wegen der überhöhten Geschwindigkeit an. Gegen diese Entscheidung legte er Berufung ein.

Verletzung des Vorfahrtsrechts begründete Verschulden des Traktorfahrers

Das Oberlan­des­gericht Naumburg führte zum Fall zunächst aus, dass der Traktorfahrer aufgrund der Sicht­be­hin­derung durch die Büsche und Bäume sowie des Umstands, dass die Schaufel bereits in den Straßenraum hinein ragte, bevor er überhaupt die Fahrtrichtung einsehen konnte, gemäß § 10 StVO einen Einweiser gebraucht habe. Gegen diese Anforderung habe der Traktorfahrer verstoßen. Die dadurch bedingte Vorfahrtsverletzung habe sein Verschulden indiziert. Missachtet der in eine Straße Einfahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs und kommt es deshalb zu einem Unfall, hafte er regelmäßig allein oder zumindest weit überwiegend für die Unfallfolgen.

Deutlich überhöhte Geschwindigkeit des Klägers begründete hälftige Haftungs­ver­teilung

Zu einer vollen oder zumindest überwiegenden Haftung des Einfahrenden komme es jedoch dann nicht, so das Oberlan­des­gericht weiter, wenn der Vorfahrts­be­rechtigte mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. In diesem Fall sei ihm ein Mitverschulden anzulasten. So habe der Fall hier gelegen. Zwar sei von einer zulässigen Höchst­ge­schwin­digkeit von 100 km/h auszugehen gewesen. Jedoch wäre angesichts der Breite der Straße, der deutlichen Sicht­be­hin­derung durch Büsche und Bäume sowie des Umstands, dass auf der Straße mit deutlich langsameren landwirt­schaft­lichem Verkehr gerechnet werden musste, eine Geschwindigkeit von 70-80 km/h angemessen gewesen. Der Kläger habe somit die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit um etwa 50 % überschritten. Dies habe eine hälftige Haftungs­ver­teilung gerechtfertigt.

Geschwin­dig­keits­über­schreitung zwecks Feuer­wehr­ein­satzes unerheblich

Für unerheblich hielt das Oberlan­des­gericht, dass sich der Kläger auf dem Weg zu einem Feuer­wehr­einsatz befand. Dies habe die Geschwindigkeitsüberschreitung zwar erklärt. Jedoch stehen nur Einsatzkräften bei der berechtigten Nutzung von Blaulicht und Martinshorn Sonderrechte zu.

Schmer­zens­geldhöhe von 13.000 Euro

Unter Berück­sich­tigung des Mitverschuldens des Klägers hielt das Oberlan­des­gericht ein Schmerzensgeld von 13.000 Euro für angemessen. Denn der Kläger habe infolge des Unfalls Brüche des 1. und 2. Lendenwirbels und einen verschobenen Bruch des linken Mittel­fuß­knochens erlitten. Er habe sich deswegen mehrmals in stationäre Behandlung begeben müssen und war für mehrere Tage arbeitsunfähig. Zudem litt er unter einer Bewegungs­be­ein­träch­tigung.

Quelle: Oberlandesgericht Naumburg, ra-online (vt/rb)

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