23.11.2024
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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Urteil22.11.2012

Stromversorger muss die örtlichen Stromnetze nicht herausgebenKommu­na­li­sierung kartell­rechts­widrig

Die Schleswig-Holstein Netz AG muss das ihr gehörende Strom­ver­sor­gungsnetz in der Stadt Heiligenhafen nicht an die neu gegründeten Stadtwerke Heiligenhafen herausgeben. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht.

Die Schleswig-Holstein Netz AG ist Eigentümerin und Betreiberin des Strom­ver­sor­gungs­netzes in der Stadt Heiligenhafen. Sie hatte einen zwanzigjährigen Wegenut­zungs­vertrag mit der Stadt Heiligenhafen, der ihr gestattete Strom­ver­sor­gungs­anlagen auf und unter den öffentlichen Wegen im Stadtgebiet zu betreiben. Als der Vertrag nach zwanzig Jahren auslief, schrieb die Stadt Heiligenhafen die Vergabe der Wegerechte neu aus. Die Schleswig-Holstein Netz AG und ein weiteres Unternehmen gaben Vertrags­an­gebote ab. Die Stadt Heiligenhafen teilte im Anschluss mit, keinen der Bewerber nehmen zu wollen, sie beabsichtige vielmehr, eigene Stadtwerke zu gründen und diese das Strom­ver­tei­lungsnetz betreiben zu lassen. Unter Berufung auf die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) und den alten Wegenut­zungs­vertrag verlangte die Stadt als neues Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen die Übertragung des Eigentums am örtlichen Strom­ver­sor­gungsnetz gegen Erstattung des Ertragswerts. Die Stadt steht auf dem Standpunkt, dass sie völlig frei darüber habe entscheiden dürfen, welcher Partner fortan für die Energie­ver­sorgung zuständig sein solle.

Stadt kann sich nicht "völlig frei und ungehindert" für Selbsteintritt in Vergabe der Wegerechte entscheiden

Das Oberlan­des­gericht Schleswig-Holstein entschied, dass die Stadt Heiligenhafen keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am örtlichen Strom­ver­sor­gungsnetz habe. Die Vergabe der Wegerechte an sich selbst bzw. die neu gegründeten Stadtwerke verstoße gegen die Vorschriften des Kartellrechts und sei deshalb nichtig (§ 46 Abs. 3 Energie­wirt­schafts­gesetz und § 20 Gesetz gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen – GWB), urteilte das Gericht. Seit dem Inkrafttreten des Energie­wirt­schafts­ge­setzes im Jahr 2005 sei bei der Neuaus­schreibung der Wegenut­zungs­rechte an öffentlichen Verkehrswegen für Leitungen ein Wettbewerb zu veranstalten. Die Stadt könne sich nicht "völlig frei und ungehindert" für einen Selbsteintritt in die Vergabe der Wegerechte entscheiden, weil dann gerade kein Wettbewerb stattfinde. Bei der Auswah­l­ent­scheidung müssten in erster Linie das Niveau der erreichten Netzentgelte und die Effizienz des Netzbetreibers maßgeblich sein. Hinzu kämen Quali­täts­kri­terien wie etwa die Umwelt­ver­träg­lichkeit und die Sicherung des störungsfreien Netzbetriebs. Die Stadt Heiligenhafen habe ihre Auswah­l­ent­scheidung nicht an diesen Kriterien ausgerichtet. Der Grund für die Vergabe der Wegerechte an eigene Stadtwerke sei allein eine unter dem Stichwort Rekom­mu­na­li­sierung firmierende politische Entscheidung, so das Gericht.

Gemeinde wählt unberechtigter Weise nicht effizientesten Netzbetreiber aus

Auch in einem weiteren Verfahren (Az. 16 U (Kart) 21/12) wies der Kartellsenat die Klage gegen die Schleswig-Holstein Netz AG ab. In dem Verfahren ging es um die Übereignung der Strom­ver­sor­gungsnetze in den 36 Gemeinden der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin. Die Gemeinden hatten aus Sicht des Senats ihre Entscheidung über die Neuvergabe der Wegenut­zungs­rechte in der Gemeinde vorrangig danach ausgerichtet, die wirtschaftliche Situation der Gemeinden zu verbessern, und nicht danach, den effizientesten Netzbetreiber auszuwählen.

Quelle: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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