15.11.2024
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Dokument-Nr. 8104

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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.05.2009

BverfG: Mehrheitlich von öffentlicher Hand beherrschtes Strom­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen kann sich nicht auf materielle Grundrechte berufenVerfas­sungs­be­schwerden gegen kartell­rechtliche Verfahren abgewiesen

Ein mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrschtes Strom­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen in Privat­rechtsform kann sich nicht auf die materiellen Grundrechte berufen. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Die Beschwer­de­führerin zu 1) betreibt das in ihrem Eigentum stehende Strom­ver­sor­gungsnetz auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt am Main, der Beschwer­de­führerin zu 2). In einem kartell­recht­lichen Verfahren wurde der Beschwer­de­führerin zu 1) aufgegeben, mehreren Areal­netz­be­treibern in bestimmtem Umfang den Zugang zu ihrem Mittel­span­nungsnetz zu gewähren. Die von der Beschwer­de­führerin zu 1) eingelegten Rechtsmittel gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde begehrt die Beschwer­de­führerin zu 1) die Aufhebung dieser Entscheidung. Während des laufenden Beschwer­de­ver­fahrens vor dem Oberlan­des­gericht beantragte die Beschwer­de­führerin zu 2) beim Bundes­kar­tellamt ihre Beiladung zu dem kartell­recht­lichen Verwal­tungs­ver­fahren gegen die Beschwer­de­führerin zu 1). Das Bundes­kar­tellamt lehnte die Beiladung ab. Hiergegen legte die Beschwer­de­führerin zu 2) Beschwerde zum Oberlan­des­gericht Düsseldorf ein. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat bis zur Entscheidung über die eingelegten Verfas­sungs­be­schwerden beider Beschwer­de­füh­re­rinnen dieses Beschwer­de­ver­fahren ausgesetzt.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht weist Verfas­sungs­be­schwerden ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat beide Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig sind. Der Verfas­sungs­be­schwerde der Beschwer­de­führerin zu 1), einer Aktiengesellschaft, die zu 75,2 % von einer Holding GmbH gehalten wird, die ihrerseits vollständig im Besitz der Beschwer­de­führerin zu 2), ist, fehlte die erforderliche Beschwer­de­be­fugnis, während die Beschwer­de­führerin zu 2) für die Einlegung ihrer Verfas­sungs­be­schwerde den Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat.

Berufen auf materielle Grundrecht ausgeschlossen

Der Beschwer­de­führerin zu 1) fehlt die Beschwer­de­be­fugnis, weil sie von einer vollständig im Besitz der Beschwer­de­führerin zu 2), einer Gebiets­kör­per­schaft des öffentlichen Rechts stehenden Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit von über 75 % des Grundkapitals (vgl. § 179 Abs. 2 AktG), beherrscht wird und daher dem bestimmenden Einfluss eines Hoheitsträgers unterliegt. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Frage, ob sich ein mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches Stromversorgungsunternehmen auf materielle Grundrechte berufen kann, bereits ausdrücklich verneint (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 16. Mai 1989 – 1 BvR 705/88 –). Anlass, von dieser Judikatur abzuweichen, besteht jedenfalls im vorliegenden Fall nicht. Die Beschwer­de­führerin zu 1) trägt auch keine besonderen Umstände vor, die ihre Beherrschung durch die Beschwer­de­führerin zu 2) trotz deren qualifizierter Mehrheit vorliegend in Frage stellen könnte, sondern sie bezieht sich zur Begründung ihrer Verfas­sungs­be­schwerde auf ein Rechtsgutachten, welches ausdrücklich von einem „faktisch beherrschenden Einfluss“ der Beschwer­de­führerin zu 2) ausgeht. Infolgedessen trifft auch auf sie die für Eigen­ge­sell­schaften der öffentlichen Hand geltende Erwägung zu, dass ein Hoheitsträger nicht durch die Gründung einer juristischen Person des Privatrechts die eigene Grund­rechts­bindung abstreifen und mittelbar eine eigene Grund­rechts­fä­higkeit erwerben darf.

Rechtsweg nicht wie erforderlich ausgeschöpft

Die Verfas­sungs­be­schwerde der Beschwer­de­führerin zu 2) ist ebenfalls unzulässig. Der Grundsatz der Subsidiarität fordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, dass ein Beschwer­de­führer über das Gebot der Rechts­we­ger­schöpfung im engeren Sinn hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur des geltend gemachten Verfas­sungs­ver­stoßes zu erreichen oder diesen zu verhindern. Diesem Erfordernis hat die Beschwer­de­führerin zu 2) aber nicht genügt. Denn sie hat es unterlassen, gegen den verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Beschluss des Bundes­kar­tellamts vom 8. Oktober 2003 eine eigene Beschwerde nach § 63 Abs. 2 GWB einzulegen, obwohl dieses Rechtsmittel nicht von vornherein aussichtslos war.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 74/09 des BVerfG vom 03.07.2009

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