18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 12781

Drucken
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Urteil15.12.2011

Auch für Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger gilt dreijährige Verjäh­rungsfrist bei Geltendmachung von Rückgriffs­ansprüchenGesetzliche Krankenkassen ist verpflichtet in Regres­s­ab­teilung für genügend ausgebildetes Personal zu beschäftigen

Gesetzliche Krankenkassen müssen in ihrer Regres­s­ab­teilung genügend ausgebildetes Personal beschäftigen, um Rückgriffs­ansprüche gegen Schädiger zu prüfen. Das Oberlan­des­gericht Schleswig-Holstein wies in diesem Zusammenhang einen Rückgriffs­an­spruch über 200.000 Euro wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung aufgrund Zeitablaufs (Verjährung) zurück.

Im zugrunde liegenden Fall stürzte im Jahr 2002 ein 3 Jahre altes Kind auf dem Außengelände eines Krankenhauses in einen mehr als 5 m tiefen Treppenschacht und erlitt schwerste Kopfver­let­zungen. Das Kind ist bei der klagenden gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse versichert, die bisher Leistungen in Höhe von mehr als 200.000 Euro erbrachte. Im Fragebogen der Krankenkasse gaben die Eltern an, dass das Kind über ein niedriges Geländer in eine Tiefgarage gestürzt sei, die schlecht abgesichert gewesen sei. Sie hätten sich an einen Rechtsanwalt gewandt. Zugleich gaben die Eltern in dem Fragebogen aber auch an, dass der Unfall „selbst verschuldet" sei. Die Mitarbeiterin in der Regres­s­ab­teilung der Kranken- und Pflegekasse sah daraufhin keine Veranlassung, Rückgriffs­ansprüche gegen den Betreiber des Krankenhauses als Verant­wort­lichen für die Sicherung des Klinikgeländes geltend zu machen.

Mitarbeiterin der Regres­s­ab­teilung war keine Sozia­l­ver­si­che­rungs­fach­an­ge­stellte sondern nur angelernte Kraft

Erst als im Jahr 2007 das Kind eigene Schadensersatz- und Schmer­zens­geldansprüche gegen den Betreiber der Klinik durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richtes zugesprochen bekam, reichte die Kranken- und Pflegekasse Ende 2009 Klage bei Gericht ein und verlangte Ersatz ihrer bisherigen Aufwendungen. Angesichts der dreijährigen Verjäh­rungsfrist für die Geltendmachung von Rückgriffs­ansprüchen trug sie unter anderem vor, dass sie erst nach dem Urteil im Jahr 2007 die nötigen Kenntnisse zur Geltendmachung von Schaden­s­er­satz­ansprüchen gehabt hätte. Ihre Mitarbeiter treffe auch kein Verschulden, dass weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen unterblieben seien. Die Mitar­bei­te­rinnen hätten im Jahr 2007 mehr als 53.000 Unfall­fra­gebögen auszuwerten gehabt, so dass arbeitstäglich von den einzelnen Mitar­bei­te­rinnen seinerzeit 213 Fragebögen zu prüfen gewesen seien. Zudem habe es sich bei der seinerzeit zuständigen Mitarbeiterin in der Regres­s­ab­teilung um eine angelernte Kraft gehandelt und nicht um eine Sozia­l­ver­si­che­rungs­fach­an­ge­stellte.

Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger muss Organi­sa­ti­o­nss­truktur schaffen, die Erkennen und Nachgehen möglicher Regress­ansprüche ermöglicht

Das Oberlan­des­gericht sah die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche als verspätet an. Es gilt die dreijährige Verjäh­rungsfrist, so dass die Ansprüche bis zum Ende des Jahres 2005 hätten gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger können den Verjäh­rungs­beginn nicht dadurch hinausschieben, dass sie Ersatzansprüche nur von unzureichend ausgebildetem und organi­sa­ti­o­ns­bedingt dauerhaft stark überlastetem Personal lediglich überblicksmäßig prüfen und nicht als regressrelevant einstufen lassen. Vielmehr obliegt es den Sozia­l­ver­si­che­rungs­trägern eine Organi­sa­ti­o­nss­truktur zu schaffen, die es ermöglicht, mögliche Regressansprüche zu erkennen und diesen nachzugehen. Die Verpflichtung der Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger sparsam mit den Versi­cher­ten­geldern umzugehen, steht dem nicht entgegen. Vielmehr gebietet die Sorgfalt im Umgang mit diesen Mitteln, mögliche Ersatzansprüche zeitnah zu verfolgen und geeignetes Personal in hinreichender Zahl hierfür zur Verfügung zu stellen.

Quelle: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil12781

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI