18.10.2024
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Dokument-Nr. 26167

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Beschluss12.07.2018Oberlandesgericht Schleswig-Holstein1 Ausl (A) 18/18 (20/18)
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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Beschluss12.07.2018

Auslieferung Puigdemonts wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder zulässigAuslieferung wegen Rebellion ist allerdings unzulässig

Das Oberlan­des­gericht Schleswig hat die Auslieferung des katalanischen Separa­tis­ten­führers Carles Puigdemont wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder für zulässig erklärt. Dagegen erklärte das Gericht eine Auslieferung wegen Rebellion ist für unzulässig.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2018 hat der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts über die Zulässigkeit der Auslieferung des früheren katalanischen Regio­na­l­prä­si­denten Carles Puigdemont nach Spanien entschieden.

Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion nicht zulässig

Der Senat hat eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion für nicht zulässig angesehen. Die dem ehemaligen katalanischen Regie­rungs­prä­si­denten vorgeworfenen Handlungen erfüllten weder den deutschen Straftatbestand des Hochverrats (§ 81 Strafgesetzbuch) noch den des Landfrie­dens­bruchs (§ 125 Strafgesetzbuch). Ein Ausmaß an Gewalt, wie es die Vorschrift des Hochverrats vorsehe, sei durch die Ausein­an­der­set­zungen in Spanien nicht erreicht worden. Eine Strafbarkeit wegen Landfrie­dens­bruchs scheide aus, weil es Carles Puigdemont lediglich um die Durchführung des Referendums gegangen sei. Er sei kein "geistiger Anführer" von Gewalt­tä­tig­keiten gewesen.

Auslieferung wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder zulässig

Demgegenüber sei eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder zulässig, weil die spanischen Behörden Carles Puigdemont nachvollziehbar eine Mitver­ant­wortung für die Eingehung von finanziellen Verpflichtungen zu Lasten der öffentlichen Kassen vorwerfen würden. Ob sich diese Vorwürfe im Ergebnis bestätigten, sei ausschließlich in Rahmen des spanischen Strafverfahrens zu klären. Da Carles Puigdemont seinen Haftauflagen stets nachgekommen sei, verbleibe es bei der bereits angeordneten Haftverschonung. Die Begründung des Gerichts im Einzelnen:

Beim Vorwurf der "Rebellion" fehlt es an einer beiderseitigen Strafbarkeit

Hinsichtlich des Vorwurfs der "Rebellion", fehle es auch nach erneuter Prüfung an der nach § 3 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen erforderlichen Erfüllung einer beiderseitigen Strafbarkeit. Auf diese komme es nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers und im Einklang mit Europäischem Recht entscheidend an. Die in Betracht kommende deutsche Strafvorschrift des Hochverrats gemäß § 81 StGB gehe von einem Gewaltniveau aus, das durch die in Spanien erfolgten Ausein­an­der­set­zungen nicht erreicht worden sei. Mit dem Referendum vom 1. Oktober 2017 selbst werde dieses Ausmaß von Gewalt schon deshalb nicht verwirklicht, weil es nicht unmittelbar zur Loslösung von Spanien habe führen können und gerade nach dem Willen des Verfolgten Puigdemont nur der Auftakt zu weiteren Verhandlungen habe sein sollen. Die besonders vor einer Reihe von Wahllokalen erfolgten gewaltsamen Ausein­an­der­set­zungen zwischen Abstim­mungs­willigen und der Guardia Civil oder der Nationalpolizei hätten ebenfalls nicht eine Qualität erreicht, dass hierdurch die verfas­sungs­mäßige Ordnung Spaniens ernstlich bedroht worden wäre. Soweit der General­staats­anwalt und die spanische Justiz auf die unter Einbeziehung des Verfolgten ergangene Anweisung an die der katalanischen Regio­na­l­re­gierung unterstehende Regionalpolizei (Mossos d´Esquadra), die Durchführung des Referendums "sicherzustellen", abgestellt hätten, hat der Senat auch hierin keine Veranlassung von Gewalttaten gegenüber Kräften der Zentra­l­re­gierung gesehen. Zu solchen Gewalttaten sei es nach den vorliegenden Informationen auch nicht gekommen.

Keine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Landfrie­dens­bruchs

Der Senat hat auch eine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Landfrie­dens­bruchs (§ 125 StGB) verneint. Zwar könne auch bestraft werden, wer als Planer oder Organisator eines Gewalt­ge­schehens nicht am Ort des Geschehens selbst anzutreffen sei. Voraussetzung sei allerdings, dass ein derartiger "Hintermann" die Gewalttaten habe erkennen können und auch gebilligt habe sowie das Geschehen auch habe beeinflussen können. Dies sei im Falle des Verfolgten Puigdemont nicht der Fall gewesen. Ihm sei es lediglich um die Durchführung des Referendums gegangen. Er sei kein "geistiger Anführer" von Gewalt­tä­tig­keiten gewesen.

Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder

Hinsichtlich des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder hat der Senat an seiner früheren Einschätzung festgehalten und die Auslieferung für zulässig erklärt. Insoweit sei die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen, weil es sich um eine Katalogtat im Sinne des EU-Rahmen­be­schlusses handele, bei der eine solche Prüfung entfalle. Zum anderen sei die beiderseitige Strafbarkeit aber auch gegeben, da die Tat auch in Deutschland als Untreue strafbar wäre (§ 266 StGB). Zwar sei die ursprüngliche Beschreibung des Geschehens aufgrund weiterer Ermittlungen zum Teil überholt. Gleichwohl habe der Senat hinreichend deutlich ersehen können, dass dem Verfolgten Puigdemont letztlich die Mitver­ant­wortung für die Eingehung von finanziellen Verpflichtungen zu Lasten der öffentlichen Kassen vorgeworfen werde. Dass die Durchführung eines Referendums Geld kosten werde, habe der Verfolgte Puigdemont als Regio­na­l­prä­sident unschwer ersehen können. Schon die Vermö­gens­ge­fährdung durch eingegangene Verbind­lich­keiten sei auch nach deutschem Verständnis ein hinreichender Schaden. Dass die entstandenen Kosten von vornherein gänzlich durch Dritte hätten finanziert werden sollen, sei nicht ersichtlich. Die verbleibenden Einzelfragen seien im spanischen Strafverfahren zu klären.

OLG Schleswig sieht keine Gefahr der politischen Verfolgung Puigdemonts in Spanien

Dass das Auslie­fe­rungs­er­suchen dazu dienen solle, Carles Puigdemont in Spanien politisch zu verfolgen, wie der Verfolgte meint, schließt der Senat aus. Es sei abwegig, derartiges dem spanischen Staat als Mitglied der Werte­ge­mein­schaft und des gemeinsamen Rechtsraums der Europäischen Union zu unterstellen. Der Senat hat unein­ge­schränktes Vertrauen darin, dass auch die spanische Justiz den Anforderungen des nationalen als auch des Gemein­schafts­rechts entsprechen werde.

Keine Auslie­fe­rungs­hin­dernisse

Formelle Auslie­fe­rungs­hin­dernisse oder Bedenken gegenüber der vom General­staats­anwalt des Landes Schleswig-Holstein zu erteilenden Auslie­fe­rungs­be­wil­ligung hat der Senat nicht gesehen. Dies betrifft auch die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität (Strafverfolgung in Spanien jetzt nur noch im Umfang der für zulässig erklärten Auslieferung). Der Senat geht davon aus, dass die spanischen Gerichte diesen Grundsatz beachten und nicht etwa den Verfolgten Puigdemont nach der Auslieferung wegen des Vorwurfs der Korruption auch noch wegen Rebellion verfolgen werden.

Gericht lehnt Auslie­fe­rungshaft ab

Der Senat hat entgegen dem Antrag des General­staats­anwalts des Landes Schleswig-Holstein schließlich davon abgesehen, den Verfolgten Puigdemont wieder in Auslie­fe­rungshaft zu nehmen, weil der Verfolgte bisher stets seine Auflagen befolgt habe.

Quelle: ra-online, OLG Schleswig (pm/pt)

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