Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger begehrte von der Beklagten Schmerzensgeld wegen eines Glatteisunfalls. Er kam auf dem privaten Zugangsweg zum Haus der Beklagten zu Fall. Der Weg war nicht komplett gestreut. Dies war dem Kläger auch bekannt. Das Landgericht Magdeburg wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Das Oberlandesgericht Naumburg entschied gegen den Kläger. Ihm habe kein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB zugestanden. Eine Verletzung der Streupflicht durch die Beklagte habe nicht festgestellt werden können. Zur Unfallvermeidung seien nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die im Einzelfall nach den Erwartungen des Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren abzuwenden. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließe, sei nicht zu erreichen. Der Verkehrssicherungspflichtige müsse daher nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadeneintritts Vorsorge treffen oder den optimalen Zustand eines Weges herstellen (vgl. BGH, Urteil v. 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - = NJW 2006, 2326). Bei der Streupflicht wegen Eisglätte seien insbesondere die Verkehrsbedeutung des Weges und der Umfang der üblichen Benutzung zu berücksichtigen. Es seien nur diejenigen Gefahren auszuschließen, die ein sorgfältiger Fußgänger nicht oder nicht rechtzeitig erkennen könne. Für Gehwege, Fußgängerzonen und auf belebten Fußgängerüberwegen bedeute dies, dass in einer Breite von etwa 1,20 bis 1,50 m gestreut werden müsse. Auf einem nur wenige Male am Tag genutzten privaten Zugangsweg zu einem Haus sei nur eine Durchgangsbreite erforderlich, die für die Begehung durch eine Person ausreiche. So habe der Fall hier gelegen.
Darüber hinaus habe nach Ansicht des Oberlandesgerichts ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall vorgelegen, so dass auch aus diesem Grund kein Anspruch auf Schadenersatz bestanden habe (§ 254 Abs. 1 BGB). Für den Kläger sei es erkennbar gewesen, dass der Weg nicht bzw. nur unzureichend gestreut war. Er hätte sein Gehverhalten daher den erkannten Verhältnissen anpassen und besondere Vorsicht walten lassen müssen.
Der Kläger müsse als Geschädigter beweisen, dass ein Glättezustand im Verantwortungsbereich des Streupflichtigen bestanden habe und er innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht gestürzt sei (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1983, VI ZR 98/82 = VersR 1984, 40), so das Oberlandesgericht weiter. Stehe aber die fehlende Bestreuung des Weges fest und kommt ein Fußgänger auf diesem Weg zu Fall, so bestehe ein sogenannter Anscheinsbeweis dafür, dass der Unfall infolge der Glätte passiert ist. Dies folge daraus, dass nach der Lebenserfahrung mit einem Sturz auf einer nicht bestreuten Eisfläche zu rechnen sei. Dies gelte aber dann nicht, wenn feststehe, dass der Weg bestreut war. In dem Sturz eines Fußgängers auf einem schneebedeckten und gestreuten Weg liege für sich genommen noch nicht der Beweis des ersten Anscheins für die Verletzung der Streupflicht durch den Verkehrssicherungspflichtigen. Denn nach der Lebenserfahrung seien Unfälle infolge Winterglätte auch auf gestreuten bzw. von Schnee geräumten Wegen nicht auszuschließen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.01.2013
Quelle: Oberlandesgericht Naumburg, ra-online (vt/rb)