21.11.2024
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Oberlandesgericht München Urteil10.02.2011

OLG München: Urheberin des „Tatort“-Vorspanns hat keinen Anspruch auf Nachvergütung„Tatort“-Vorspann hat innerhalb des Gesamtwerks der „Tatort“-Krimis lediglich kennzeichnende Funktion

Die Urheberin des „Tatort“-Vorspanns hat kein Recht auf eine Nachvergütung für ihre Arbeit. Auch ein Anspruch auf Nennung der Urheberin im Vorspann besteht nicht. Dies entschied das Oberlan­des­gericht München und hob damit das vorherige Urteil des Landgerichts München I auf.

Gegenstand des Rechtsstreits waren (bei einem Streitwert von 150.000 Euro) urheber­rechtliche Nachvergütungs- und Auskunfts­ansprüche sowie Ansprüche auf Urheber­be­nennung im Zusammenhang mit dem Vorspann der beliebten Krimiserie, in dem die Augenpartie eines Opfers, ein Fadenkreuz und die Beine eines davonlaufenden Täters zu sehen sind. Die Klägerin, eine Grafikerin, Buchil­lus­tratorin, Trickfilmerin und Autorin hatte im Wege der so genannten „Stufenklage“ den Bayerischen Rundfunk und den Westdeutschen Rundfunk, zwei öffentlich-rechtliche Sendeanstalten im Rahmen des ARD-Verbundes, darauf verklagt, die Benennung einer anderen Person als Urheber zu unterlassen und im Vorspann der Krimiserie als dessen Urheberin genannt zu werden, sowie darauf, eine weitere Vergütung für die Nutzung des Vorspanns zu erhalten.

Urheberin hält Pauscha­l­ver­gütung für Vorspann für nicht mehr ausreichend

Die Klägerin behauptete, Alleinurheberin des die Grundlage des Vorspanns bildenden so genannten Storyboards sowie Miturheberin bei der Verfilmung des Vorspanns zu sein. Zwischen der an die Klägerin vor mehr als vierzig Jahren ausbezahlten Pauscha­l­ver­gütung von 2.500 DM und den Beklagten aus der exorbitanten Nutzung des „Tatort“-Vorspanns über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten erwachsenen Vorteilen bestünde ein auffälliges bzw. grobes Missverhältnis, das es durch weitere Zahlungen auszugleichen gelte.

Landgericht erkennt Urheberschaft der Grafikerin an

Dem war das Landgericht in seinem Urteil vom 24. März 2010 weitestgehend gefolgt, indem es der Klägerin sowohl das Recht zusprach, als Urheberin genannt zu werden als auch zur Vorbereitung ihres Zahlungs­an­spruchs einen umfangreichen Auskunfts­an­spruch zubilligte.

OLG bejaht alleinige Inhaberschaft der Klägerin an „Tatort“-Vorspann

Das Oberlan­des­gericht sah die Sache jetzt weitgehend anders. Es hat die Entscheidung des Landgerichts lediglich insoweit bestätigt, als den Beklagten verboten worden war, die Behauptung aufzustellen und/oder aufstellen zu lassen, dass der „Tatort“-Vorspann von einem namentlich benannten Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks/Fernsehens kreiert worden sei. Dies, so das Oberlan­des­gericht, sei eine das Urheber­per­sön­lich­keitsrecht der Klägerin verletzende und deren Unter­las­sungs­an­spruch begründende Handlung, da es nicht den Tatsachen entspräche, dass die von den Beklagten benannte Person die alleinige Inhaberschaft an dem „Tatort“-Vorspann habe.

Gericht weist Klage auf Nachvergütung ab

In Bezug auf die von der Klägerin beanspruchte Nachvergütung hat das Oberlan­des­gericht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Nach den deutschen urheber­recht­lichen Vorschriften hat der Urheber, der einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt hat, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berück­sich­tigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, einen Anspruch darauf, dass sich der andere verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird (so genannter Fairness­aus­gleich, § 32 a UrhG, vormals in dem - andere Voraussetzungen für eine Beteiligung an den Erträgnissen formulierenden - „Bestsel­ler­pa­ra­graphen“ des § 36 UrhG a.F. geregelt). Dabei ist es unerheblich, ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können. Bestehen klare Anhaltspunkte für einen entsprechenden Anspruch, so kann der Urheber Auskunft und gegebenenfalls Rechnungslegung verlangen, um die weiteren Voraussetzungen dieses Anspruchs ermitteln und die zu zahlende Vergütung berechnen zu können.

Voraussetzungen für Anwendung des „Fairness­pa­ra­graphen“ nicht erfüllt

Diese Voraussetzungen hat das Oberlan­des­gericht im Fall der Klägerin nicht als erfüllt angesehen. Die Auffassung des Landgerichts, sämtliche urheber­rechts­schutz­fähigen Werke unterlägen im Falle eines auffälligen Missver­hält­nisses zwischen der Nutzung des Werks und der dem Urheber hierfür entrichteten Gegenleistung einer Nachver­gü­tungs­pflicht des Werknutzers, kann nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts so pauschal gesehen keinen Bestand haben. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle, so der Senat ausdrücklich, die Anwendung des „Fairness­pa­ra­graphen“ (§ 32 a UrhG) unter dem Vorbehalt stehen, dass der Beitrag des eine Nachvergütung beanspruchenden Urhebers für das Gesamtwerk nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist.

Vorspann stellt keinen wesentlichen Beitrag zum Gesamtwerk dar

Der „Tatort“-Vorspann habe innerhalb des Gesamtwerks der „Tatort“-Krimis lediglich kennzeichnende Funktion und weise den Fernseh­zu­schauer in markanter Weise auf die nachfolgende Sendung hin. Dass der „Tatort“-Vorspann über einen hohen Bekannt­heitsgrad in der Bevölkerung verfüge, sei in erster Linie auf die regelmäßige Ausstrahlung des unverändert gebliebenen Vorspanns über einen Zeitraum von 40 Jahren zurückzuführen. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige allerdings nicht die Annahme, dass es sich bei dem verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Vorspann um einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtwerk, namentlich dem nachfolgenden Kriminalfilm, handele. Die häufige Nutzung des „Tatort“-Vorspanns sei in erster Linie auf die hohe Akzeptanz, welche die dem Vorspann nachfolgenden, in der Regel 90-minütigen Filme der Krimiserie „Tatort“ beim Publikum finden, zurückzuführen. Es könne kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass der Fernseh­zu­schauer sich den „Tatort“ nicht wegen des Vorspanns ansehe. Der sich auf die Hinweisfunktion beschränkende, keinen weiteren Einfluss auf den nachfolgenden Film nehmende streit­ge­gen­ständliche Vorspann sei im Ergebnis als lediglich untergeordneter Beitrag zum Gesamtwerk anzusehen, dessen Auswertung einen Fairness­aus­gleich nicht gebiete.

Ausstrahlung des „Tatort“-Vorspann ohne Benennung der Klägerin zulässig

Im Übrigen hat das Oberlan­des­gericht München das landge­richtliche Urteil auch insoweit aufgehoben, als dieses den Beklagten untersagte, den streit­ge­gen­ständ­lichen „Tatort“-Vorspann ohne Benennung der Klägerin als Urheberin zu nutzen.

Beklagte musste mit Geltendmachen des Benen­nungs­an­spruch als Urheberin nach langer Zeit nicht mehr rechnen

Zwar könnten, wie das Oberlan­des­gericht festgestellt hat, die Beklagten dem Benen­nungs­an­spruch der Klägerin keinen ausdrücklichen Verzicht, wohl aber eine entge­gen­stehende Branchenübung entgegenhalten, wonach es aufgrund der Vielzahl der Mitwirkenden an einer Fernsehserie und den begrenzten Möglichkeiten, im Rahmen eines Vor- oder Abspanns diese zu benennen, unter Berück­sich­tigung der Interessen sowohl der am Filmvorhaben Beteiligten als auch der Zuschauer allgemein üblich sei, lediglich die am Entstehen des Filmwerks maßgeblich Beteiligten im Vor- bzw. Abspann namentlich aufzuführen. Nach den Umständen des konkreten Falles hätten die Beklagten auch, so das Oberlan­des­gericht, nicht mehr damit rechnen müssen, dass die Klägerin, die ein Fehlen der Urheber­be­nennung über viele Jahre hinweg gegenüber den Beklagten nicht gerügt hat, nun entgegen der von ihr jahrzehntelang unbeanstandeten Praxis der Beklagten ihren Benen­nungs­an­spruch als Urheberin geltend mache.

Quelle: Oberlandesgericht/ra-online

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