21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Koblenz Urteil20.06.2012

Arzthaftung: Nichtbeachtung einschlägiger Fachliteratur kann als grober Behand­lungs­fehler gewertet werdenArzt muss sich regelmäßig weiterbilden und gesicherte Erkenntnisse zeitnah umsetzen

Ein Arzt ist verpflichtet, sich auf seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden. Wissen­schaftlich gesicherte Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden, muss er zeitnah im Berufsalltag umsetzten. Versäumt er diese Pflicht, kann dies zu einem groben Behand­lungs­fehler führen und einen Schmer­zens­geldan­spruch des Patienten auslösen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Koblenz und sprach im konkreten Fall einer Patientin, die nach einer Operation drei Tage an einer heftigen, vermeidbaren Übelkeit litt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zu.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte sich die damals 46-jährige Klägerin im März 2005 in einem Mainzer Krankenhaus einem gynäkologischen Eingriff unterziehen müssen. Vor der Operation hatte sie darauf hingewiesen, dass sie die üblichen Narkosemittel nicht vertrage. Infolge der Intuba­ti­o­ns­narkose litt sie im Anschluss an die Operation drei Tage an heftiger Übelkeit mit Erbrechen. Wegen dieser und anderer Opera­ti­o­ns­folgen klagte sie gegen das Krankenhaus und den operierenden Arzt auf Schmerzensgeld.

Anästhesie wurde nicht mit erforderlicher Sorgfalt durchgeführt

Das Landgericht Mainz wies die Klage ab, die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hatte nun gegenüber dem Krankenhaus in einem Punkt Erfolg. Das Oberlan­des­gericht Koblenz konnte zwar weder einen Aufklä­rungs­fehler noch einen Behandlungsfehler bei der konkreten Operation feststellen. Die Klage gegen den operierenden Arzt wurde daher auch vom Oberlan­des­gericht abgewiesen. Die Richter führen in ihrer Entscheidung jedoch aus, dass die Anästhesie nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden sei und das beklagte Krankenhaus daher ebenfalls auf Schmerzensgeld hafte. Wegen der bekannten Überemp­find­lichkeit gegen die üblichen Narkosemittel hätte der Klägerin ein weiteres, die Übelkeit minderndes oder gar völlig unterdrückendes Medikament verabreicht werden müssen.

Versäumnis der Anwendung wissen­schaftlich gesicherter Erkenntnisse ist als grober Behand­lungs­fehler zu werten

Dass dieser Wirkstoff die Beschwerden lindere, sei mit wissen­schaftlich gesicherten Erkenntnissen bereits im Jahre 2004 in einer anerkannten Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Dem Anästhesisten hätte daher im März 2005 bekannt sein müssen, dass die Gabe eines dritten Medikaments erforderlich gewesen sei. Die Zeitspanne zwischen Publikation und Operation sei so lang, dass das Versäumnis als grober Behand­lungs­fehler zu werten sei. Demnach hätte das Krankenhaus nachweisen müssen, dass die Übelkeit auch mit dem Medikament eingetreten wäre. Da dieser Nachweis nicht geführt wurde, verurteilte der Senat das Krankenhaus zur Zahlung des Schmer­zens­geldes.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil13742

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI