Oberlandesgericht Koblenz Urteil07.07.2015
Nachbarhilfe aus Gefälligkeit: Nachbar haftet trotz Haftpflichtversicherung nur für Vorsatz und grobe FahrlässigkeitTypischer Schadenseintritt im Rahmen einer alltäglichen, unentgeltlichen Gefälligkeit sowie Abdeckung des Schadens durch Versicherung des Geschädigten begründet Haftungsbeschränkung
Verursacht ein Nachbar im Rahmen einer Gefälligkeit einen Schaden, so kann trotz bestehender Haftpflichtversicherung die Haftung nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt sein. Eine solche Haftungsbeschränkung ist dann anzunehmen, wenn im Rahmen einer alltäglichen, unentgeltlichen Gefälligkeit ein typischer Schaden eintritt und die Versicherung des Geschädigten für den Schaden aufkommt. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Grundstückseigentümer erklärte sich dazu bereit, während eines Kuraufenthalts seines Nachbarn im Juni 2011 dessen Haus zu versorgen. Dazu gehörte auch die Bewässerung des Gartens mit Hilfe eines an der Außenzapfstelle des Hauses angebrachten Wasserschlauchs. Er drehte eines Tages nach der Bewässerung zwar die am Schlauch befindliche Spritze zu, jedoch stellte er nicht die Wasserzufuhr zum Gartenschlauch ab. Daraufhin löste sich in der Nacht der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch. Dies führte dazu, dass eine erhebliche Menge von Leitungswasser in das Untergeschoss des Hauses eindrang und einen Wasserschaden in Höhe von fast 11.700 Euro verursachte. Die Gebäudeversicherung des Nachbarn regulierte den Schaden vollständig und klagte nachfolgend gegen den haftpflichtversicherten Grundstückseigentümer auf Ersatz der Versicherungssumme. Das Landgericht Koblenz gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung des beklagten Grundstückseigentümers.
Kein Anspruch auf Ersatz der Schadenssumme
Das Oberlandesgericht Koblenz entschied zu Gunsten des Beklagten und hob daher die erstinstanzliche Entscheidung auf. Der klägerischen Versicherung habe kein Anspruch aus Ersatz der geleisteten Schadenssumme gemäß § 823 Abs. 1 BGB zugestanden. Zwar sei dem Beklagten eine mittlere Fahrlässigkeit anzulasten gewesen. Jedoch sei zu berücksichtigen gewesen, dass er aus reiner Gefälligkeit den Garten bewässert habe. Somit sei seine Haftung nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt gewesen.
Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit trotz Haftpflichtversicherung
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts habe eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit trotz dessen vorgelegen, dass der Beklagte über eine private Haftpflichtversicherung verfügt habe. Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Bestehen einer Haftpflichtversicherung regelmäßig der Annahme einer Haftungsbeschränkung entgegenstehe (BGH, Urt. v. 10.02.2009 - VI ZR 28/08 = NJW 2009, 1482, VersR 2009, 558). Dennoch könne unter bestimmten Umständen eine solche bejaht werden.
Typischer Schadenseintritt im Rahmen einer alltäglichen, unentgeltlichen Gefälligkeit sowie Abdeckung des Schadens durch Versicherung des Geschädigten begründet Haftungsbeschränkung
Solche besonderen Umstände liegen nach Auffassung des Oberlandesgerichts dann vor, wenn im Rahmen einer alltäglichen und unentgeltlichen Gefälligkeit unter Freunden, Nachbarn oder Kollegen ein typischer Schaden eintrete und dieser Schaden von der Versicherung des Geschädigten abgedeckt werde. Es sei zudem zu beachten, dass die Inanspruchnahme einer Haftpflichtversicherung üblicherweise eine Selbstbeteiligung, Prämienerhöhung oder Kündigung nach sich ziehen könne. Dies rechtfertigte ebenfalls die Annahme einer Haftungsbeschränkung. Andernfalls sei zu erwarten, dass sich kaum jemand zu einer nachbarschaftlichen Hilfe bereit erkläre. Die Haftung sei damit auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt gewesen.
Kein grob fahrlässiges Handeln des Beklagten
Der Beklagte habe weder vorsätzlich, noch grob fahrlässig den Wasserschaden verursacht, so das Oberlandesgericht. Der eingetretene Schadensverlauf sei als solcher nicht ohne weiteres für den Beklagten voraussehbar gewesen. Er sei nicht so naheliegend gewesen, dass es jedem hätte einleuchten müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.11.2015
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)