Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei deutsche Medizinstudentinnen absolvierten im Jahr 2004 das für die Ärzteausbildung erforderliche praktische Jahr an einer Klink in Südafrika. Gleich zu Beginn mietete sich eine der Studentinnen einen Mietwagen. Das Angebot zum Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung lehnte sie in Unkenntnis der versicherungsrechtlichen Lage in Südafrika jedoch ab. Beide Studentinnen vereinbarten, dass der Wagen beiden zur Verfügung stehen sollte und die Kosten geteilt werden. Während eines gemeinsamen Wochenendausflugs im Januar 2004 steuerte die Studentin, die das Fahrzeug angemietet hatte, den Wagen. Unter Missachtung des Linksfahrgebots bog sie in eine Straße ein, wo es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kam. Ihre als Beifahrerin im Fahrzeug mitanwesende Kommilitonin erlitt dabei schwere Verletzungen. Sie klagte schließlich auf Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von über 19.000 Euro sowie eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000 Euro.
Während das Landgericht Tübingen die Haftung der Beklagten bejaht hatte, verneinte dies das Oberlandesgericht Stuttgart. Die Beklagte habe den Unfall zwar fahrlässig verursacht. Die Haftung sei aber stillschweigend auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt gewesen. Hätten die beiden Studentinnen nämlich gewusst, dass sie aufgrund der versicherungsrechtlichen Lage in Südafrika keinen Versicherungsschutz für von ihnen bei der Nutzung des Mietwagens verursachte Personenschäden genössen, hätten sie angesichts des durch den Linksverkehr erhöhten Haftungsrisikos und der bestehenden Gefahrgemeinschaft eine Haftungsbeschränkung vereinbart. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und wies daher die Revision der Klägerin zurück. Es habe eine stillschweigende Haftungsbeschränkung vorgelegen. Die Beklagte habe somit nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs komme nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine stillschweigende Haftungsbeschränkung in Betracht. Solche Umstände liegen zum Beispiel dann nicht vor, wenn der Schädiger Haftpflicht versichert sei. Denn es sei regelmäßig nicht davon auszugehen, dass die Entlastung der Haftpflichtversicherung von den Parteien gewünscht sei. Auch die bloße Mitnahme eines anderen aus Gefälligkeit, enge persönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten oder das Bestehen eines ungewöhnlichen Haftungsrisikos begründe für sich genommen keine Haftungsbeschränkung. Vielmehr sei erforderlich, dass der Schädiger über keine Haftpflichtversicherung verfüge, für ihn ein unzumutbares Haftungsrisiko bestehen würde und besondere Umstände vorliegen, die einen Haftungsverzicht als besonders naheliegend erscheinen lassen. Dies sei hier der Fall gewesen.
Im vorliegenden Fall sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs von einer stillschweigenden Haftungsbeschränkung auszugehen gewesen. Denn andernfalls wäre die Beklagte einem unzumutbaren Haftungsrisiko ausgesetzt gewesen. Sie habe über einen völlig unzureichenden Versicherungsschutz verfügt. Zudem hätte jede der Studentinnen in austauschbarer Weise einen Unfall verursachen können. Ferner habe angesichts des Linksfahrgebots eine erhöhte Unfallgefahr und damit ein erhöhtes Unfallrisiko bestanden. Die Beklagte habe fahr nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet.
Die Beklagte habe den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht, so der Bundesgerichtshof. Zwar habe ein objektiv grober Verstoß gegen das Linksfahrgebot vorgelegen. Es habe sich aber subjektiv nicht um eine unentschuldbare Pflichtverletzung gehandelt. Es sei zu beachten, dass ein Abbiegevorgang aufgrund automatisierten Verhaltens im gewohnten Rechtsverkehr relativ leicht zu einem Fahrfehler im Linksverkehr führen könne.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.11.2015
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)