21.11.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil21.10.2019

Diesel-Abgasskandal: Einbau eines Thermofensters rechtfertigt nicht per se die Annahme einer sittenwidrigen Handlung"Thermofenster" stellt keine eindeutig unzulässige Abschalt­ein­richtung dar

Der Einbau eines sogenannten Thermofensters ist nicht per se als sittenwidrige Handlung einzustufen. Anders als beim Einbau einer "Schum­mel­software" handelt es sich beim "Thermofenster" nicht um eine eindeutig unzulässige Abschalt­ein­richtung. Es kann daher nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass herstel­ler­seitig in dem Bewusstsein gehandelt wurde, möglicherweise eine unzulässige Abschalt­ein­richtung zu verwenden. Vielmehr muss eine unter Umständen falsche, aber dennoch vertretbare Geset­zes­aus­legung und -anwendung durch die Verant­wort­lichen der Fahrzeug­herstellerin in Betracht gezogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger im Mai 2017 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Mercedes Benz E 350 T CDI geleast, in welchem ein Motor OM 642 der Schad­s­toff­klasse 6 eingebaut war. Das Fahrzeug verfügte zur Minderung der Stick­o­xi­de­mis­sionen über eine sogenannte Abgas­rü­ck­führung. Hierbei wird ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgas­rü­ck­führung wird bei geringeren Außen-/Ladeluft­tem­pe­raturen zurückgefahren (sogenanntes Thermofenster).

"Thermofenster" ist keine "Schum­mel­software"

Für die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz war maßgeblich, dass die Verwendung des "Thermofensters" nicht eindeutig gesetzlich unzulässig und damit der Einbau dieser Steue­rungs­software nicht per se sittenwidrig sei. Sittenwidrig sei laut Gericht nach allgemeiner Definition ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und besonders verwerflich ist. Diese Voraussetzungen könnten nach Auffassung des Gerichts beim Einbau einer "Schum­mel­software" bejaht werden, weil deren Verwendung eindeutig unzulässig und dies auch den Verant­wort­lichen bewusst sei. Beim "Thermofenster" hingegen handele es sich nicht um eine "Schum­mel­software", denn die betreffende Motorsteuerung arbeite vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die einschlägige Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Verwendung von Abschalt­ein­rich­tungen gestatte, wenn die Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Auf diese Ausnah­me­re­gelung könne im Falle des "Thermofensters" durchaus verwiesen und ernsthaft der Gesichtspunkt des Motor- respektive Bauteilschutzes angeführt werden. Eine Auslegung der gesetzlichen Regelung, wonach ein "Thermofenster" eine zulässige Abschalt­vor­richtung darstellt, sei daher nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne nicht als ein besonders verwerfliches Verhalten angesehen und somit nicht als sittenwidrig eingestuft werden.

Kläger muss im Zweifelsfall Privatgutachten zur Schum­mel­software einholen

Soweit der Kläger den Einbau weiterer unzulässiger Abschalt­ein­rich­tungen behauptet hat, stellte das Oberlan­des­gericht klargestellt, dass der Kläger hierzu konkret vortragen müsse. Gebe es zu dem betreffenden Motor noch keine öffentlich zugänglichen Erkenntnisse über den Einbau unzulässiger Abschalt­ein­rich­tungen, müsse der Kläger gegebenenfalls zunächst ein Privatgutachten einholen.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online (pm/kg)

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