Dokument-Nr. 16981
Permalink https://urteile.news/
- NJW-RR 2007, 242Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2007, Seite: 242
- NZV 2007, 246Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2007, Seite: 246
- r+s 2006, 412Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2006, Seite: 412
- VersR 2007, 831Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2007, Seite: 831
- Landgericht Trier, Urteil01.09.2005, 6 O 103/05
Oberlandesgericht Koblenz Urteil19.05.2006
Wildunfall: Vollbremsung zur Vermeidung eines Zusammenstoßes dient neben dem Schutz des eigenen Lebens auch der Vermeidung von FahrzeugschädenAnspruch auf Versicherungsleistung unter dem Gesichtspunkt des Rettungskostenersatzes
Wer zur Vermeidung eines Zusammenpralls mit einem Wild eine Vollbremsung tätigt, will dadurch nicht nur sein eigenes Lebens schützen, sondern auch Beschädigungen am Fahrzeug verhindern. Daher besteht ein Anspruch auf Versicherungsleistungen unter dem Gesichtspunkt des Rettungskostenersatzes (§§ 82, 83 VVG). Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz hervor.
Im zugrunde liegenden Fall verlangte ein Versicherungsnehmer Leistungen von seiner Teilkaskoversicherung wegen eines behaupteten Wildunfalls mit seinem Motorrad. Er gab an, im August 2004 auf einer Landstraße mit einem Reh zusammengestoßen zu sein. Dabei sei das Motorrad beschädigt und er verletzt worden. Ein hinter ihm fahrender Motorradfahrer gab jedoch an, dass der Versicherungsnehmer bei dem Versuch dem Reh auszuweichen, die Kontrolle über sein Motorrad verlor und stürzte. Auf Grundlage dieser Aussage und aufgrund dessen, dass ein Sachverständiger am Motorrad und der Unfallstelle keine Haar-, Gewebe- oder Blutreste fand, lehnte die Versicherung eine Schadensregulierung ab. Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin Klage.
Landgericht wies Klage ab
Das Landgericht Trier wies die Klage ab. Da der Versicherungsnehmer habe nicht beweisen könne, dass es zu einem Zusammenstoß mit einem Wild kam, habe kein Regulierungsanspruch nach § 12 Nr. 1 I lit. d AKB bestanden. Zudem habe kein Anspruch nach §§ 62, 63 VVG (neu: §§ 82, 83 VVG) unter dem Gesichtspunkt des Rettungskostenersatzes bestanden. Denn der Versicherungsnehmer habe in erster Linie beabsichtigt sein eigenes Lebens zu retten und nur als Reflex eine Fahrzeugbeschädigung und damit einen Versicherungsschaden zu verhindern versucht. Eine zielgerichtete und bewusste Rettungshandlung im Sinne des §§ 62, 63 VVG habe daher nicht vorgelegen. Darüber hinaus nahm das Landgericht an, dass sich der Versicherungsnehmer angesichts seiner Fahrgeschwindigkeit von 80-90 km/h im Hinblick auf die beginnende Dämmerung und dem Warnschild "Wildwechsel" grob fahrlässig verhielt. Die Versicherung sei somit von ihrer Leistungspflicht gemäß § 61 VVG (neu: § 81 Abs. 2 VVG) befreit gewesen. Der Versicherungsnehmer legte gegen das Urteil Berufung ein.
Regulierungsanspruch unter Gesichtspunkt des Rettungskostenersatzes bestand
Das Oberlandesgericht Koblenz entschied zu Gunsten des Versicherungsnehmers und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Ihm habe ein Regulierungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Rettungskostenersatzes zugestanden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts urteilte das Oberlandesgericht, dass die Ersatzpflicht nicht deshalb entfallen ist, weil es dem Versicherungsnehmer in erster Linie um die Rettung seines eigenen Lebens und erst in zweiter Linie auch um die des versicherten Gegenstands ging. Daher seien auch spontane, durch das Unterbewusstsein gesteuerte, aber letztlich zielgerichtete Reaktionen als Rettungsmaßnahmen zu qualifizieren. Es wäre überspannt, an das Vorliegen eines Rettungswillens hinsichtlich des Versicherungsgegenstands allzu hohe Anforderungen zu knüpfen.
Versicherungsnehmer handelte nicht grob fahrlässig
Die Versicherung sei zudem nicht von ihrer Leistungspflicht befreit gewesen, so das Oberlandesgericht weiter. Denn der Versicherungsnehmer habe sich angesichts der trockenen Verhältnisse auf der Landstraße und seiner Geschwindigkeit, die sich unter der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h befand, nicht grob fahrlässig verhalten. Er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit weiter, als er es bereits getan hatte, zu drosseln.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.10.2013
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil16981
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.