18.10.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 16981

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Urteil19.05.2006Oberlandesgericht Koblenz10 U 1415/05
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2007, 242Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2007, Seite: 242
  • NZV 2007, 246Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2007, Seite: 246
  • r+s 2006, 412Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2006, Seite: 412
  • VersR 2007, 831Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2007, Seite: 831
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Vorinstanz:
  • Landgericht Trier, Urteil01.09.2005, 6 O 103/05
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Koblenz Urteil19.05.2006

Wildunfall: Vollbremsung zur Vermeidung eines Zusammenstoßes dient neben dem Schutz des eigenen Lebens auch der Vermeidung von FahrzeugschädenAnspruch auf Versicherungs­leistung unter dem Gesichtspunkt des Rettungs­kosten­ersatzes

Wer zur Vermeidung eines Zusammenpralls mit einem Wild eine Vollbremsung tätigt, will dadurch nicht nur sein eigenes Lebens schützen, sondern auch Beschädigungen am Fahrzeug verhindern. Daher besteht ein Anspruch auf Versicherungs­leistungen unter dem Gesichtspunkt des Rettungs­kosten­ersatzes (§§ 82, 83 VVG). Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Im zugrunde liegenden Fall verlangte ein Versi­che­rungs­nehmer Leistungen von seiner Teilkaskoversicherung wegen eines behaupteten Wildunfalls mit seinem Motorrad. Er gab an, im August 2004 auf einer Landstraße mit einem Reh zusam­men­ge­stoßen zu sein. Dabei sei das Motorrad beschädigt und er verletzt worden. Ein hinter ihm fahrender Motorradfahrer gab jedoch an, dass der Versi­che­rungs­nehmer bei dem Versuch dem Reh auszuweichen, die Kontrolle über sein Motorrad verlor und stürzte. Auf Grundlage dieser Aussage und aufgrund dessen, dass ein Sachver­ständiger am Motorrad und der Unfallstelle keine Haar-, Gewebe- oder Blutreste fand, lehnte die Versicherung eine Schadens­re­gu­lierung ab. Der Versi­che­rungs­nehmer erhob daraufhin Klage.

Landgericht wies Klage ab

Das Landgericht Trier wies die Klage ab. Da der Versi­che­rungs­nehmer habe nicht beweisen könne, dass es zu einem Zusammenstoß mit einem Wild kam, habe kein Regulie­rungs­an­spruch nach § 12 Nr. 1 I lit. d AKB bestanden. Zudem habe kein Anspruch nach §§ 62, 63 VVG (neu: §§ 82, 83 VVG) unter dem Gesichtspunkt des Rettungs­kos­te­n­er­satzes bestanden. Denn der Versi­che­rungs­nehmer habe in erster Linie beabsichtigt sein eigenes Lebens zu retten und nur als Reflex eine Fahrzeug­be­schä­digung und damit einen Versi­che­rungs­schaden zu verhindern versucht. Eine zielgerichtete und bewusste Rettungs­handlung im Sinne des §§ 62, 63 VVG habe daher nicht vorgelegen. Darüber hinaus nahm das Landgericht an, dass sich der Versi­che­rungs­nehmer angesichts seiner Fahrge­schwin­digkeit von 80-90 km/h im Hinblick auf die beginnende Dämmerung und dem Warnschild "Wildwechsel" grob fahrlässig verhielt. Die Versicherung sei somit von ihrer Leistungs­pflicht gemäß § 61 VVG (neu: § 81 Abs. 2 VVG) befreit gewesen. Der Versi­che­rungs­nehmer legte gegen das Urteil Berufung ein.

Regulie­rungs­an­spruch unter Gesichtspunkt des Rettungs­kos­te­n­er­satzes bestand

Das Oberlan­des­gericht Koblenz entschied zu Gunsten des Versi­che­rungs­nehmers und hob das erstin­sta­nzliche Urteil auf. Ihm habe ein Regulie­rungs­an­spruch unter dem Gesichtspunkt des Rettungs­kos­te­n­er­satzes zugestanden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts urteilte das Oberlan­des­gericht, dass die Ersatzpflicht nicht deshalb entfallen ist, weil es dem Versi­che­rungs­nehmer in erster Linie um die Rettung seines eigenen Lebens und erst in zweiter Linie auch um die des versicherten Gegenstands ging. Daher seien auch spontane, durch das Unter­be­wusstsein gesteuerte, aber letztlich zielgerichtete Reaktionen als Rettungs­maß­nahmen zu qualifizieren. Es wäre überspannt, an das Vorliegen eines Rettungswillens hinsichtlich des Versi­che­rungs­ge­gen­stands allzu hohe Anforderungen zu knüpfen.

Versi­che­rungs­nehmer handelte nicht grob fahrlässig

Die Versicherung sei zudem nicht von ihrer Leistungs­pflicht befreit gewesen, so das Oberlan­des­gericht weiter. Denn der Versi­che­rungs­nehmer habe sich angesichts der trockenen Verhältnisse auf der Landstraße und seiner Geschwindigkeit, die sich unter der zugelassenen Höchst­ge­schwin­digkeit von 100 km/h befand, nicht grob fahrlässig verhalten. Er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit weiter, als er es bereits getan hatte, zu drosseln.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)

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