21.11.2024
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Dokument-Nr. 30751

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Oberlandesgericht Koblenz Urteil27.05.2021

Bundesrepublik haftet nicht - kein Versagen des Gesetzgebers und des Kraftfahrt-Bundesamtes im Zusammenhang mit der Verwendung einer Manipulations­software bei Diesel­fahr­zeugenOLG Koblenz bestätigt Urteil des Landgerichts Koblenz

Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG das ihr zustehende Ermessen rechts­feh­lerfrei ausgeübt. Auch sei es bei der Erteilung und Überwachung der Typge­neh­mi­gungen zu keinem die Haftung auslösenden Versäumnis des Kraftfahrt-Bundesamtes gekommen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Koblenz entschieden und damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Koblenz bestätigt.

Die Klägerin erwarb im September 2013 ein Gebraucht­fahrzeug des Typs VW Polo, in das ein von der Volkswagen AG hergestellter Motor des Typs EA 189 verbaut ist, der mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehen war. Die Klägerin hat die Bundesrepublik Deutschland in diesem Zusammenhang aus unions­recht­licher Staatshaftung in Anspruch genommen, weil die Beklagte in "qualifizierter" Weise gegen Normen des Unionsrechts, und zwar der Richtlinie 2007/46/EG verstoßen habe. Konkret habe die Beklagte versäumt, für Verstöße der Hersteller wirksame, verhält­nis­mäßige und abschreckende Sanktionen vorzusehen. Zudem habe das Kraftfahrt-Bundesamt für den verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Fahrzeugtyp rechtswidrig eine Typgenehmigung erteilt.

Richtlinie dient nicht dem Schutz individueller Interessen

Das Landgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen, weil die Vorschriften der Richtlinie 2007/46/EG, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützt, dem einzelnen Käufer kein subjektives Recht verliehen und er folglich aus diesen keinen individuellen Anspruch ableiten könne. Das hat die Klägerin anders gesehen und gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Senat hat die Rechts­auf­fassung des Landgerichts Koblenz bestätigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setze die Haftung eines Mitglieds­s­taates der EU unter anderem voraus, dass einerseits gegen eine unions­rechtliche Norm verstoßen wurde, die dem Einzelnen Rechte verleiht, und dass andererseits der Verstoß "hinreichend qualifiziert" ist. Beides sei hier nicht erfüllt. Wortlaut, Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen wie auch die der Richtlinie vorangestellten Erwägungen des Unions­ge­setz­gebers zeigten, dass die Richtlinie 2007/46/EG der Harmonisierung des Binnenmarktes diene. Sie ziele dagegen nicht auf den Schutz der von der Klägerin angeführten individuellen Interessen, insbesondere nicht auf den Schutz des wirtschaft­lichen Selbst­be­stim­mungs­rechts.

Keine Verfehlungen von Bundes­ge­setzgeber und Kraftfahrt-Bundesamt

Zudem fehle es an einem "hinreichend qualifizierten" Verstoß gegen Unionsrecht. Ein solcher sei gegeben, wenn die Grenzen, die das Gemein­schaftsrecht bei der Umsetzung einer Richtlinie dem Ermessen des Mitglieds­s­taates oder des für ihn handelnden Organs setze, offenkundig und erheblich überschritten werden. Das sei hier nicht der Fall. Soweit die Richtlinie 2007/46/EG in Art. 46 fordere, dass wirksame, verhält­nis­mäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße festzulegen sind, habe der Bundes­ge­setzgeber dies mit den in § 37 EG-Fahrzeug­ge­neh­mi­gungs­ver­ordnung normierten Ordnungs­wid­rig­keiten und mit der nach § 25 EG-Fahrzeug­ge­neh­mi­gungs­ver­ordnung geschaffenen Möglichkeit zum (Teil-)Widerruf oder zur Rücknahme der Typgenehmigung hinreichend umgesetzt. Auch treffe das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Ausübung der ihm zufallenden Kontroll­pflichten kein Versäumnis, für das die Beklagte haften könnte. Soweit das Kraftfahrt-Bundesamt bei der ihm obliegenden Pflicht, die Angaben der Hersteller auf Vollständigkeit und Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen, nicht über die europarechtlich vorge­schriebenen Prüfungen hinaus nach verbotenen Abschalt­ein­rich­tungen geforscht und offenbar auf die Herstel­ler­angaben vertraut habe, begründe dies keinen "qualifizierten" Verstoß gegen die unions­recht­lichen Vorgaben.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (pm/aw)

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