Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil14.12.2021
Auswahl von nur "Herr" oder "Frau" beim Online-Shopping diskriminiert nichtbinäre PersonenKein Anspruch auf Entschädigung wegen Geringfügigkeit der Folgen
Kann bei einer Online-Bestellung nur zwischen der Anrede "Herr" oder "Frau" ausgewählt werden, so liegt darin eine Diskriminierung nichtbinärer Personen. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht in diesen Fällen nicht, wenn sich die Folgen der Diskriminierung lediglich auf die beschränkte Anredeauswahl und einer einmaligen Anrede als "Herr" oder "Frau" beschränkt. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2019 bestellte eine nichtbinäre Person über die Internetseite eines Online-Händlers Kleidung. Dabei war eine Auswahl zwischen den Anreden "Herr" oder "Frau" notwendig. Die nichtbinäre Person bestätigte den Kauf und wurde in einer E-Mail als "Herr" betitelt. Nachfolgend machte die Person gegenüber dem Online-Händler einen Unterlassungsanspruch geltend und verlangte Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.500,00 €. Der Online-Händler wies zwar die Ansprüche zurück, änderte aber umgehend die Auswahlmöglichkeit der Anrede dahingehend, dass neben "Herr" und "Frau" auch "Divers/keine Anrede" möglich war. Die nichtbinäre Person erhob schließlich Klage. Das Landgericht Mannheim wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der nichtbinären Person.
Beschränkte Anredeauswahl begründet Geschlechtsdiskriminierung
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, bejahte aber das Vorliegen einer Geschlechtsdiskriminierung. Es liege eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität vor. Zwar sei die klagende Person nicht vom Kauf ausgegrenzt worden und habe die Ware auch zu denselben Bedingungen erworben wie jeder andere Kaufwillige auch. Die klagende Person habe aber den Kaufvorgang nicht abschließen können, ohne im dafür vorgesehenen Feld eine falsche Angabe zu machen, die der eigenen Geschlechtsidentität nicht entspreche. Zudem sei zu beachten, dass durch die eingeschränkte Anredeauswahl nichtbinäre Personen möglicherweise vom Online-Kauf abgehalten werden.
Kein Anspruch auf Unterlassung
Nach Auffassung des Oberlandesgericht bestehe jedoch kein Anspruch auf Unterlassung, da es insofern wegen der Änderung der Auswahlmöglichkeiten bei der Anrede an der Wiederholungsgefahr fehle.
Kein Anspruch auf Entschädigung
Schließlich verneinte das Oberlandesgericht auch einen Anspruch auf Entschädigung. Die Beschränkung der Auswahlmöglichkeit der Anrede sowie die erfolgte geschlechtsbezogene Anrede der klagenden Person seien nicht derart schwerwiegend, dass sie nur durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden können. Es sei zu beachten, dass die Diskriminierung nur im privaten Bereich und nicht in der Öffentlichkeit vorgenommen wurde. Zudem sei das Verschulden der Beklagten gering. Sie habe nach dem ersten Anschreiben der klagenden Person ihr Anliegen durch Änderung der Internetauftritts Rechnung tragen wollen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.01.2025
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)