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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil06.04.2010
OLG Karlsruhe: Land haftet nicht für Ernteausfall durch RabenkrähenKein Entschädigungsanspruch wenn Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht
Ein Landwirt, dessen Tabakpflanzen kurz nach der Anpflanzung durch Rabenkrähen herausgerissen werden, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Ernteausfalls durch das Land. Dies entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Der Kläger ist Landwirt im Rhein-Neckar-Raum und baut Tabakpflanzen an. Er möchte Schadensersatz vom Land, weil zwei Tage nach der ersten Tabakpflanzung im Mai 2009 ständig mindestens 30 Rabenkrähen auf seinem Feld gewesen seien und ca. 28.000 Tabakpflanzen herausgerissen hätten, auch Ersatzpflanzen seien wieder zerstört worden. Die Kosten für Ersatzpflanzen und Ertragsausfall beliefen sich auf 9.200,- Euro. Das Land müsse wegen der bekannten Schädlichkeit der Vögel, insbesondere für die schadensanfälligen Obst-, Gemüse- und Tabakkulturen im Rhein-Neckar-Raum, eine Überpopulation verhindern, der Bestand an Rabenkrähen aus dem Rheinauenwald, der dem Land gehöre, habe übermäßig zugenommen.
Landwirt hätte vorab Tötung von Rabenkrähen durch Jagdausübungsberechtigten veranlassen können
Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Das Gericht führte aus, dass der Kläger keinen Entschädigungsanspruch hat. Eigene Abwehrmaßnahmen des Klägers hat das Land nicht rechtswidrig verhindert. Vor Beginn der Brutzeit hätte der Kläger gemäß § 1 der Verordnung der Landesregierung über Ausnahmen von den Schutzvorschriften für Rabenvögel (RabAusnV) eine Tötung von Rabenkrähen durch den Jagdausübungsberechtigten veranlassen können. Während der späteren Anpflanzungszeit konnte der Kläger noch eine Einzelfallgenehmigung für einen Vergrämungsabschuss beantragen. Eine solche Genehmigung ist ihm auf seinen Antrag auch am 29. Mai 2009 erteilt worden, von dieser hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Soweit der Kläger meint, die Genehmigung, die den Abschuss von zwei bis drei Rabenkrähen pro Anbaufläche zur Vergrämung gestattet, sei nicht ausreichend gewesen, hat er nicht vorgetragen, dass er einen weitergehenden Antrag gestellt hätte. Eine Rechtsvorschrift, die die Landesverwaltung verpflichten würde, im Interesse der Landwirtschaft selbst Maßnahmen zur Regulierung der Population der Rabenvögel zu ergreifen, existiert nicht. Das Bundesjagdgesetz, das Regelungen über die Aufstellung von Abschussplänen unter Berücksichtigung der Interessen der Landwirtschaft trifft, ist nicht anwendbar, da die Rabenkrähe nicht zu den dort genannten Tierarten zählt, auch das Landesjagdrecht hat die Rabenkrähe nicht dem Jagdrecht unterstellt.
Gericht weist Vergleich mit Kormoranverordnung zurück
Es besteht keine allgemeine, unmittelbar aus den Grundrechten abzuleitende Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor dem Verlust von Einnahmen zu schützen, die ihnen durch wild lebende Tiere entstehen könnten. Es ist vielmehr Sache des einzelnen, sich bei seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit auf die natürlichen Rahmenbedingungen und gegebenenfalls auf deren Änderung einzustellen. Auch die vom Kläger zum Vergleich herangezogene Kormoranverordnung sieht nur einen Abschuss von Kormoranen durch Jagdausübungsberechtigte vor, verpflichtet aber nicht staatliche Stellen zu der Bekämpfung (vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 02.06.2006 - OVG 11 A 11.05 -). Eine Amtspflicht zur Beobachtung und Regelung des Bestandes an Rabenkrähen besteht nicht.
Keine allgemeine Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand für Einnahmeausfälle durch Folgen der natürlichen Umgebungsbedingungen
Soweit der Kläger seinen Anspruch auch auf nachbarschützende Bestimmungen stützt, da die Rabenkrähen aus landeseigenem Rheinauenwald stammen sollen, bleibt sein Begehren ebenfalls ohne Erfolg. Ein Abwehranspruch nach § 1004 BGB oder Entschädigungsanspruch nach § 906 BGB, der bei grenzüberschreitenden Einwirkungen von einem Grundstück eingreifen kann, besteht nicht, wenn die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Dass das beklagte Land die Ansiedelung von Rabenkrähen in dem Rheinauenland aktiv gefördert habe, trägt auch der Kläger nicht vor. Auch Ansprüche wegen eines enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs durch eine hoheitliche Maßnahme bestehen nicht, weil die vom Kläger behaupteten Schäden und Einnahmeausfälle Folgen der natürlichen Umgebungsbedingungen sind, für die es eine allgemeine Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand nicht gibt.
§ 1004 BGB Abs. 1:
Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung von der Beeinträchtigung verlangen. ...
§ 906 BGB Abs. 1:
Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen... Geräusch, Erschütterung u.ä. von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. ...
§ 906 BGB Abs.2 :
.....Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen....
§ 21 BJagdG Abs.1:
Der Abschuss des Wildes ist so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben. ....
§ 1 RabAusnV:
Abweichend von § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dürfen Jagdausübungsberechtigte ... zum Schutz der heimischen Tierwelt oder zur Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden wildlebenden Tieren der Art Rabenkrähe (Corvus corone corone) und .... außerhalb von befriedeten Bezirken, von Naturschutzgebieten, von Naturdenkmalen und außerhalb der Brutzeit ... nachstellen und sie töten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.04.2010
Quelle: ra-online, OLG Karlsruhe
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