18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil17.11.2015

Kein Regressverzicht der Gebäude- und Haus­rats­versicherung bei nachbar­schaft­lichen GefälligkeitenNachbar­schafts­verhältnis begründet keine Haftungs­beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz

Wer einem Nachbarn im Rahmen einer Gefälligkeit leicht fahrlässig einen Schaden zufügt, für den die Gebäude- und Haus­rats­versicherung des Nachbarn eintritt, kann von der Versicherung in Regress genommen werden. Aus dem Nachbar­schafts­verhältnis ergibt sich in diesen Fällen keine Haftungs­beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und änderte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster ab.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine Versi­che­rungs­ge­sell­schaft aus Köln, nimmt den haftpflicht­ver­si­cherten Beklagten, Hauseigentümer in Saerbeck, aus Anlass erbrachter Versi­che­rungs­leis­tungen in Regress. Dem bei ihr versicherten Nachbarn des Beklagten erstattete die Klägerin aus einer Gebäude- und Hausratversicherung ca. 7.300 Euro für einen im August 2013 eingetretenen Wasserschaden. In langjähriger Übung übernahmen der Beklagte und sein Nachbar wechselseitig die Bewässerung der Hausgärten in der urlaubs­be­dingten Abwesenheit des jeweils anderen. So auch im August 2013. Während dieses Urlaubs des Nachbarn lief der in seinem Garten gelegene Teich über. Das überlaufende Wasser drang in die Kellerräume des Hauses des Nachbarn ein und verursachte dort den Wasserschaden. Zuvor hatte der Beklagte absprachegemäß den nachbar­schaft­lichen Garten mit Wasser aus dem Teich bewässert und den Teich sodann über einen an der Außen­was­ser­stelle angeschlossenen Schlauch aufgefüllt. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte der Beklagte dabei vergessen, den Wasserhahn nach dem Auffüllen des Teiches wieder abzusperren, so dass der Teich überlaufen konnte.

LG: Dem Nachbarn aus leichter Fahrlässigkeit zugefügter Schaden begründet keinen Regressanspruch der Versicherung gegen den Schädiger

Das Landgericht wies die Regressklage der Klägerin ab. Zur Begründung führte es aus, dass der einem Nachbarn aus leichter Fahrlässigkeit zugefügte Schaden, den eine Gebäude- und Hausrat­ver­si­cherung des Nachbarn ausgleiche, keinen Regressanspruch der Versicherung gegen den Schädiger begründe. Ebenso wie im Verhältnis des Gebäu­de­ver­si­cherers eines Vermieters zum haftpflicht­ver­si­cherten Mieter, bei dem die Rechtsprechung mit Rücksicht auf das langfristig angelegte Mietverhältnis eine Haftungs­be­schränkung annehme, müsse eine solche auch für das gute nachbar­schaftliche Verhältnis gelten, das ebenso wie ein langfristiges Mietverhältnis von Spannungen freigehalten werden sollte, die durch die Verpflichtung der Parteien zur Unterstützung von Regress­ansprüchen ihrer jeweiligen Versicherer entstehen könnten.

Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn gehört grundsätzlich zu alltäglichen, unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten

Die Berufung der klagenden Versicherung war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm hat der Klägerin den geltend gemachten Regressanspruch zuerkannt. Das Rechts­ver­hältnis des Beklagten zu seinen Nachbarn sei zwar nach Auffassung des Gerichts nicht Gegenstand einer vertraglichen Beziehung gewesen. Die Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn während dessen Urlaub­s­ab­we­senheit gehöre zu den alltäglichen, unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten im Rahmen einer intakten nachbar­schaft­lichen Gemeinschaft. Allerdings hafte der Beklagte delikts­rechtlich für den verursachten Schaden. Er habe es versäumt, den Wasserhahn nach dem Wiederauffüllen des Teiches zu schließen. Sein Versehen sei die einzige ernst zu nehmende Erklärung für den Schaden und begründe den Vorwurf leicht fahrlässigen Verhaltens.

Für einen zwischen dem Beklagten und seinem Nachbarn für den Fall einer leicht fahrlässigen Schädigung vereinbarten Haftungs­aus­schluss gebe es keine Anhaltspunkte. Nach den überein­stim­menden Angaben des Beklagten und seines Nachbarn habe man sich hierüber keine Gedanken gemacht.

Haftungs­be­schränkung auf grobe Fahrlässigkeit nicht aus gutem Nachbar­schafts­ver­hältnis herleitbar

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse sich allein aus dem guten Nachbar­schafts­ver­hältnis keine Haftungs­be­schränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ableiten. Eine solche Haftungs­be­schränkung erkenne die Rechtsprechung nur bei Gebäu­de­ver­si­che­rungs­ver­trägen zwischen dem vermietenden Hauseigentümer als Versi­che­rungs­nehmer und seiner Gebäudeversicherung an. Sie sei nicht auf andere Fallge­stal­tungen zu übertragen.

Regressverzicht ist bei Schadensfällen im Rahmen eines Nachbar­schafts­ver­hält­nisses anzuerkennen

Der hinter der Annahme eines Regress­ver­zichts stehende Gedanke - die Vermeidung der Belastung eines Mietver­hält­nisses - könne nicht ohne weiteres auf andere Konstellationen wie z.B. die Beschädigung des Hausrats des Vermieters durch den Mieter angewandt werden. Das Gebrauchsrecht des Mieters beziehe sich auf das Gebäude und nicht auch auf den Hausrat des Vermieters, für deren Versi­che­rungs­prämien der Mieter zudem in keiner Weise aufkomme. Anders bei der Gebäu­de­ver­si­cherung, bei der der Mieter über den kalkulierten Kaltmietzins oder durch die gesondert erhobenen Nebenkosten an der Prämie beteiligt sei. Wenn man das Mietverhältnis von Belastungen aus einem Regress freihalten wolle, müsse man beispielsweise auch dem Kraftfahrzeug-Kasko­ver­si­cherer und dem Kranken­ver­si­cherer des Vermieters einen Regressverzicht zumuten, wenn der Mieter versehentlich das Kraftfahrzeug des Vermieters beschädige oder den Vermieter körperlich verletze. Einen derartig weit gefassten Regressverzicht lehne die Rechtsprechung zu Recht ab. Deswegen sei auch kein Regressverzicht bei Schadensfällen im Rahmen eines Nachbar­schafts­ver­hält­nisses anzuerkennen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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