Dokument-Nr. 28102
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- NJW-RR 2019, 283Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2019, Seite: 283
- NJW-Spezial 2018, 681Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 681
- Landgericht Bielefeld, Urteil29.08.2017, 2 O 246/16
- Auffahrender haftet selbst bei Möglichkeit eines plötzlichen Abbremsens aus erzieherischen Gründen für AuffahrunfallOberlandesgericht Karlsruhe, Urteil28.04.2017, 9 U 189/15
- Abbremsen ohne erkennbaren Grund für die hinterherfahrenden Verkehrsteilnehmer führt zur Unfallschuld des VorausfahrendenOberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil02.03.2006, 3 U 220/05
Oberlandesgericht Hamm Beschluss31.08.2018
Mögliche Entkräftung des Anscheinsbeweises gegen Auffahrenden bei grundloser Vollbremsung des VorausfahrendenMit verkehrsbedingter Vollbremsung muss gerechnet werden
Der bei einem Auffahrunfall gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann entkräftet werden, wenn feststeht, dass der Vorausfahrende grundlos stark abbremste. Jedoch muss mit einer verkehrsbedingten Vollbremsung stets gerechnet werden. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am frühen Nachmittag eines Tages im Februar 2016 kam es auf einer außerörtlichen Straße zu einem Auffahrunfall. Die Halterin des auffahrenden Fahrzeugs klagte deswegen gegen die Halterin des vorausfahrenden Fahrzeugs auf Zahlung von Schadensersatz. Nach Ansicht der Klägerin habe die Beklagte grundlos stark abgebremst, wodurch es schließlich zum Unfall kam. Das Landgericht Bielefeld wies die Schadensersatzklage der Klägerin ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.
Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Auffahrunfall
Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung der Klägerin zurück. Ihr stehe kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Auffahrunfalls zu. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe den Unfall verschuldet. Gegen ihn spreche der Beweis des ersten Anscheins, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO). Diesen Anscheinsbeweis habe die Klägerin nicht entkräften können.
Keine Entkräftung des Anscheinsbeweises wegen grundloser Vollbremsung
Allein das Abbremsen eines Fahrzeugs genüge nicht, so das Oberlandesgericht, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Denn selbst mit einer verkehrsbedingten Voll- oder Notbremsung müsse stets gerechnet werden. Jedoch werde angenommen, dass bei einer grundlosen Vollbremsung der Anscheinsbeweis erschüttert werde. Denn der in der grundlosen Vollbremsung liegende Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO könne den Anschein des verkehrsgerechten Verhaltens des Vorausfahrenden erschüttern. Dem werde entgegengehalten, dass auch mit einem plötzlichen grundlosen scharfen Abbremsen gerechnet werden muss. Denn die Einhaltung des Sicherheitsabstands als auch die sonstigen Sorgfaltsanforderungen des Hinterherfahrenden dienen dazu, ein rechtzeitiges Anhalten bei einem Abbremsen des Vordermanns zu ermöglichen, selbst wenn dies ohne für den Hintermann erkennbaren Anlass erfolgt. Das Oberlandesgericht traf letztlich keine Entscheidung zu der Frage, da eine grundlose Vollbremsung der Beklagten nicht festgestellt werden konnte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.11.2019
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)
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