21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil23.01.2018

Nach Verkehrsunfall besteht nicht grundsätzlich Anspruch auf MietwagenTägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag rechtfertigt keine Mietwagenkosten von 111 Euro pro Tag

Bei einer geringen Fahrleistung kann das Anmieten eines Ersatzwagens nach einem Verkehrsunfall nicht erforderlich sein. Dem Geschädigten steht dann nur eine Nutzungs­ausfall­entschädigung zu. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der seinerzeit 76 Jahre alte Kläger aus Bielefeld erlitt am 9. Februar 2016 einen Verkehrsunfall, für den - dies ist im Verlauf des Rechtsstreits geklärt worden - allein die Beklagte aus Bielefeld verantwortlich ist. Der Kläger hatte die Unfall­ve­r­ur­sa­cherin mit ihrem Haftpflicht­ver­si­cherer verklagt und der Kläger und die Beklagten stritten nun noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger auch Mietwagenkosten in Höhe von ca. 1.230 Euro zu erstatten habe.

Kläger nimmt für elf Tage Mietwagen in Anspruch

Der Kläger mietete am 22. Februar 2016 einen Toyota Aygo als Ersatzfahrzeug an. Mit der Reparatur seines beim Unfall beschädigten Toyota Yaris beauftragte er eine Kfz-Werkstatt in Lemgo. Der von dort aus mit der Schadens­be­gut­achtung beauftragte Kfz-Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von ca. 4.300 Euro, einen Wieder­be­schaf­fungswert von 3.900 Euro und eine Reparaturdauer von 4-5 Arbeitstagen. Der Kläger beauftragte die Kfz-Werkstatt mit der Instandsetzung des Fahrzeugs. Nach Abschluss der Repara­tu­r­a­r­beiten hatte er den Mietwagen 11 Tage in Anspruch genommen. In dieser Zeit legte der Kläger mit dem Mietwagen 239 km zurück.

Anmieten eines Ersatzfahrzeugs bei geringer Fahrleistung nicht erforderlich

Die Beklagten lehnten die Erstattung der Mietwagenkosten ab, weil sie das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs bei der geringen Fahrleistung des Klägers nicht für erforderlich erachteten. Dieser Rechts­auf­fassung schloss sich das Landgericht in seinem erstin­sta­nz­lichen Urteil an. Der Kläger habe nach dem eingeholten Gutachten, so das Landgericht, nur mit einer Wieder­her­stel­lungsdauer von 4 bis 5 Tagen zu rechnen gehabt. Für diese wenigen Tage sei es ihm zuzumuten gewesen, für anstehende Fahrten ein Taxi zu benutzen, zumal er den beschädigten Pkw nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe.

Anmieten eines Ersatzwagens zur Schadens­be­hebung nicht erforderlich

Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts zu den Mietwagenkosten und sprach dem Kläger - anstelle der Mietwagenkosten - nur einen Nutzungs­aus­fa­ll­s­chaden in Höhe von 115 Euro, 5 Tage zu je 23 Euro, zu. Das Anmieten eines Ersatzwagens durch den Kläger sei zur Schadens­be­hebung nicht erforderlich gewesen, so das Gericht. Der Toyota des Klägers sei nach dem Unfall noch fahrbereit gewesen. Er habe dem Kläger deswegen nur für die tatsächliche Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden. Die Reparatur habe nach den Feststellungen des Sachver­ständigen in fünf Tagen durchgeführt werden können. Dass sie dann tatsächlich länger gedauert habe, könne das Gericht nicht feststellen, weil der Beginn der Repara­tu­r­a­r­beiten nicht mehr zu ermitteln sei.

Verstoß gegen das Wirtschaft­lich­keitsgebot

Unter dem Gesichtspunkt eines von dem Schädiger zu tragenden Prognoserisikos könne der Kläger nicht die Kosten für das elftägige Anmieten des Ersatz­fahr­zeuges beanspruchen. Nach dem Prognoserisiko schulde ein Schädiger dem Geschädigten nur die Mehrkosten, die ohne eigenes Verschulden des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirt­schaft­licher oder unsachgemäßer Maßnahmen entstanden seien. Dieser Gesichtspunkt komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil der Kläger die Schadens­ab­wicklung vollständig aus der Hand gegeben und somit selbst gegen das Wirtschaft­lich­keitsgebot verstoßen habe.

Geschädigter ist bei täglichem Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag nicht zwingend auf Ersatzfahrzeug angewiesen

Bei der Beurteilung der Mietwagenkosten sei zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger in den elf Tagen nur 239 km gefahren sei. Abzüglich der einmalig zurückgelegten Strecke von seinem Wohnhaus zur Kfz-Werkstatt sei er damit nur ca. 16 km pro Tag gefahren. Das Gericht gehe davon aus, dass ein tägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadens­min­de­rungs­pflicht darstelle, weil der Geschädigte dann nicht darauf angewiesen sei, ständig ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben. Anderes habe der insoweit - auch - darle­gungs­pflichtige Kläger nicht vorgetragen. Bei dieser Situation habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass Mietwagenkosten von ca. 111 Euro pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden.

Geschädigte muss 130 %-Grenze beim Anmieten eines Ersatzfahrzeugs reflektieren

Hinzu komme, dass der Kläger bei der Reparatur - zulässig - unter Wahren seines Integri­täts­in­teresses im Rahmen der 130 %-Grenze seinen Wagen habe reparieren lassen. Entschließe sich der Geschädigte bei einer derartigen Situation zur Reparatur seines Fahrzeugs, müsse er die 130 %-Grenze beim Anmieten seines Ersatzfahrzeugs reflektieren. Das habe der Kläger im vorliegenden Fall nicht ausreichend getan, weil die von ihm geltend gemachten Reparaturkosten von ca. 4.300 Euro und die Mietwagenkosten von ca. 1.230 Euro die 130 %-Grenze von 5.070 Euro überschritten.

In der Gesamtschau dieser Faktoren sei das Anmieten eines Ersatz­fahr­zeuges durch den Kläger nicht erforderlich gewesen und ihm deswegen nur ein Nutzungs­aus­fa­ll­s­chaden zuzusprechen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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