18.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss02.01.2014

Kindesunterhalt ist nach fiktivem Vollerwerbs­einkommen zu berechnenKindesvater schuldet seinen drei minderjährigen Kindern keinen Unterhalt

Kindesunterhalt ist bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens im Regelfall nach einem fiktiven Vollerwerbs­einkommen und nicht nach einem fiktiven Nebenerwerbs­einkommen neben einem Sozialleistungs­bezug zu berechnen. Das gilt auch dann, wenn der Unter­halts­schuldner nach der Berechnung mit einem Vollerwerbs­einkommen nicht leistungsfähig ist, während er nach der Berechnung mit einem Nebenerwerbs­einkommen aufgrund des niedrigeren Selbstbehalts Unterhalt zahlen müsste. Dies hat das Oberlan­des­gericht Hamm unter Abänderung der erstin­sta­nz­lichen Entscheidung des Amtsgerichts - Famili­en­ge­richts - Herne entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten, in Bochum und Herne getrennt lebende Eheleute tamilischer Herkunft, streiten über die Verpflichtung des Kindesvaters zur Zahlung von monatlich ca. 950 Euro Unterhalt für die drei bei der Mutter lebenden minderjährigen Kinder im Alter von 15, 13 und 11 Jahren. Der Vater bezieht Arbeits­lo­sengeld-II-Leistungen in Höhe von ca. 775 Euro monatlich. Nach der Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit im Gastro­no­mie­gewerbe im Jahre 2012 hätte er als ungelernter Hilfskoch tätig werden können, ohne diese Tätigkeit in der Folgezeit auszuüben.

OLG Hamm kann notwendige Leistungs­fä­higkeit des Vaters nicht festellen

Im Unterschied zum Familiengericht Herne hat das Oberlan­des­gericht Hamm die für einen Unter­halts­an­spruch der Kinder notwendige Leistungsfähigkeit des Vaters nicht feststellen können. Der Vater sei zwar in der Lage, einer vollschichtigen abhängigen Beschäftigung nachzugehen und habe nicht ausreichend dargelegt, dass er diese Tätigkeit aus gesund­heit­lichen Gründen oder trotz ausreichender Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht habe ausüben können. Für die Beurteilung seiner Leistungs­fä­higkeit sei ihm daher ein fiktives Voller­w­er­b­s­ein­kommen zuzurechnen. Dies betrage bei einem Hilfskoch in Nordrhein-Westfalen monatlich durch­schnittlich 1.387 Euro brutto. Von diesem Einkommen seien Steuern, Sozia­l­ver­si­che­rungs­abgaben und berufsbedingte Aufwendungen in einer Höhe abzuziehen, dass ein Nettobetrag verbleibe, der unter dem monatlichen Selbstbehalt eines Voller­wer­b­s­tätigen von 1.000 Euro liege. Hiernach sei der Vater nicht leistungsfähig und schulde keinen Unterhalt.

Rechnerisch ist nur eine geringe Leistungs­fä­higkeit zu begründen

Rechnerisch lasse sich zwar eine Leistungs­fä­higkeit geringen Umfangs begründen, wenn man von den monatlichen Sozial­ge­setzbuch-II-Leistungen und einem dazu fiktiv erzielten, teilweise anrechnungsfrei bleibenden monatlichen Nebeneinkommen ausgehe. Dieses ergäbe ein fiktives Einkommen von ca. 940 Euro, dem ein Selbstbehalt eines teilweise Erwerbstätigen von 850-900 Euro gegenüberstehe. Die Differenz verbleibe rechnerisch als eine Leistungs­fä­higkeit geringen Umfangs zum Kindesunterhalt.

Unterhaltstitel liegt nicht vor

Aus der gesetzlichen Regelung des Sozial­ge­setz­buches II folge aber, dass es nur bei einem bereits titulierten Unter­halts­an­spruch auf das aus Sozialleistungen und einem Nebeneinkommen bestehende Einkommen mit dem geringeren Selbstbehalt des die Sozia­l­leis­tungen beziehenden Unter­halts­schuldners ankomme. Gebe es - wie im vorliegenden Fall - noch keinen Unterhaltstitel, solle es dem Unter­halts­gläubiger hingegen nach dem sozia­l­po­li­tischen Sinn und Zweck des Gesetzes nicht ermöglicht werden, Kindesunterhalt auf der Grundlage eines Verbleibs des Unter­halts­schuldners im Bezug von Sozia­l­leis­tungen und eines anrech­nungs­freien Teils fiktiver Nebeneinkünfte erstmals titulieren zu lassen. Die Leistungs­fä­higkeit des Kindesvaters als Unter­halts­schuldner sei daher nach einem fiktiven Voller­w­er­b­s­ein­kommen zu beurteilen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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