15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss24.05.2016

OLG Hamm präzisiert die Anforderungen an die gemeinsame Sorge nicht verheirateter ElternZugangs­voraus­setzungen zu gemeinsamer Sorge dürfen nicht zu hoch angesetzt werden

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat die Anforderungen an die gemäß § 1626 a BGB zu treffenden Sorgerechts­entscheidungen für Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern präzisiert.

Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen Sorge­rechtsstreit nicht verheirateter Eltern, der ihren im Jahre 2006 geborenen Sohn betraf. Die Kindeseltern lebten zunächst in Gelsenkirchen in nichtehelicher Lebens­ge­mein­schaft zusammen. Sie trennten sich im Jahre 2013, wobei die Kindesmutter mit dem Kind in der Folgezeit ins Oldenburger Land verzog. Zuvor hatten sich die Eltern in einem ersten famili­en­ge­richt­lichen Verfahren auf ein dem Kindesvater zustehendes Umgangsrecht mit dem Kind verständigt. Nach der Trennung beantragte der Kindesvater beim zuständigen Familiengericht des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer zudem, beiden Elternteilen das gemeinsame Sorgerecht und ihm das Aufent­halts­be­stim­mungsrecht für das Kind einzuräumen. Der Antrag blieb in erster Instanz erfolglos.

OLG präzisiert Anforderungen an eine zu treffende Sorge­recht­s­ent­scheidung

Auf die Beschwerde des Kindesvaters bestätigte das Oberlan­des­gericht Hamm die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Famili­en­ge­richts. In der Entschei­dungs­be­gründung präzisierte das Oberlan­des­gericht die Anforderungen an eine gemäß § 1626 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu treffende Sorge­recht­s­ent­scheidung: Nach der gesetzlichen Regelung stehe die elterliche Sorge für das Kind zunächst allein der Kindesmutter zu (§ 1626 a Abs. 3 BGB). Auf Antrag eines Elternteils übertrage das Familiengericht die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche (§ 1626 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB). Letzteres werde vom Gesetz vermutet, soweit der andere Elternteil keine entge­gen­ste­henden Gründe vortrage (§ 1626 a Abs. 2 S. 2 BGB).

Erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge darf Kindeswohl nicht widersprechen

Mit dieser seit Mai 2013 geltenden Fassung formuliere das Gesetz eine "negative" Kindes­wohl­prüfung für die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge nicht verheirateter Eltern. Es setze voraus, dass auch eine erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche. Das erfordere eine hinreichend tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen sowie ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens. Demgegenüber habe die Alleinsorge der Kindesmutter bestehen zu bleiben, wenn - über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinausgehend - die Kindeseltern keine das Kind betreffenden, gemeinsamen Entscheidungen finden könnten und das Kind durch eine gemeinsame elterliche Sorge erheblich belastet würde.

Gemeinsame elterliche Sorge ist Progno­se­ent­scheidung

Die Entscheidung für eine gemeinsame elterliche Sorge sei eine Progno­se­ent­scheidung, da die gemeinsame Sorge bis zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Anordnung noch nicht bestanden habe und in Fällen, in denen die Kindeseltern nicht zusammengelebt hätten, auch faktisch noch nicht ausgeübt worden sein müsse. Entsprechende Erfahrungswerte stünden dann nicht zur Verfügung. Deswegen dürften die Zugangs­vor­aus­set­zungen zu einer gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden. Es lasse sich möglicherweise nicht immer sicher prognostizieren, dass zwischen Eltern jegliche tragfähige soziale Beziehung fehle und ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht erzielbar sei, sodass es hinzunehmen sein könne, dass ggf. erst nach einer Phase der "Erprobung" festzustellen sei, ob die erstmals angeordnete gemeinsame elterliche Sorge tatsächlich funktioniere.

Bei fehlender Kooperations- und Kommu­ni­ka­ti­o­ns­fä­higkeit ist alleinige Sorge der Kindesmutter vorzuziehen

Allerdings sei die Grenze da zu ziehen und die alleinige Sorge der Kindesmutter vorzuziehen, wo es gänzlich an einer Kooperations- und Kommu­ni­ka­ti­o­ns­fä­higkeit und/oder der entsprechenden Bereitschaft der Kindeseltern fehle und voraussichtlich auch mit professioneller Hilfe keine Aussicht auf Besserung bestehe. In diesem Fall sei davon auszugehen, dass bereits eine Phase des Erprobens der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl schade.

Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge im vorliegenden Fall nicht möglich

Gemessen an den vorstehenden Kriterien komme die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge im zu entscheidenden Fall nicht in Betracht. Der Senat habe ein famili­en­psy­cho­lo­gisches Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt und die Beteiligten persönlich angehört. Hieraus habe sich ergeben, dass die Kindeseltern bis heute - drei Jahre nach ihrer endgültigen räumlichen Trennung - hoch zerstritten seien. Beiden fehle die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zu einem Aufein­an­der­zugehen, bei dem eine dem Kindeswohl nicht widersprechende zukünftige Ausübung einer gemeinsamen elterlichen Sorge zu erwarten sei. Die Anordnung einer gemeinsamen Aufent­halts­re­gelung scheide ebenfalls aus. Beiden Kindeseltern fehle bereits ein verbindliches Einvernehmen in Bezug auf den Alltags­auf­enthalt des Kindes. Einem Modell mit häufiger wechselnden Aufent­haltsorten des Kindes stehe zudem die Entfernung der Wohnorte der Kindeseltern entgegen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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