21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil19.03.2018

Gynäkologe haftet für behandlungs­fehlerhaften Umgang mit pathologischem CTGGehirn­ge­schä­digtes Kind hat Anspruch auf 400.000 Euro Schmerzensgeld

Kommt ein Kind mit einer schweren Hirnschädigung zur Welt, nachdem ein Gynäkologe mit einem pathologischen CTG behandlungs­fehlerhaft umgegangen ist, so dass das Kind mit einer Verzögerung von 45 Minuten entbunden wurde, kann dem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zustehen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und änderte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster ab.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger aus dem westlichen Münsterland kam im November 2008 aufgrund einer Sauer­stof­fun­ter­ver­sorgung mit schweren dauerhaften körperlichen und geistigen Schäden zur Welt. Hierfür nahm er den Beklagten, einen im westlichen Münsterland nieder­ge­lassenen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, auf Schadensersatz in Anspruch.

CTG zeigt auf Sauer­stof­fun­ter­ver­sorgung des Kindes hinweisenden pathologischen Befund

Im Rahmen einer zunächst unauffällig verlaufenden Schwangerschaft ließ sich die Mutter des Klägers vom Beklagten untersuchen und behandeln. Ein im November 2008 in der Praxis des Beklagten erstelltes CTG ergab einen auf eine Sauer­stof­fun­ter­ver­sorgung des Kindes hinweisenden pathologischen Befund, so dass der Kläger schnellst­möglich hätte entbunden werden müssen. Der Beklagte nahm das CTG allerdings erst nach ca. 50 Minuten zur Kenntnis, führte zur Überprüfung des pathologischen Befundes - was nicht zu beanstanden war - eine Doppler-Ultra­scha­ll­un­ter­suchung durch und veranlasste die Mutter sodann, zunächst mit dem eigenen Pkw nach Hause zu fahren, ihre Tasche zu holen und sodann eine Entbin­dungs­klinik in Münster aufzusuchen.

OLG bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat nach umfangreicher, die Feststellungen des Landgerichts ergänzender Beweisaufnahme, unter anderem mit einem weiteren gynäkologischen Sachver­stän­di­gen­gut­achten, der Schaden­s­er­satzklage des Kindes überwiegend stattgegeben und den Beklagten insbesondere zur Zahlung eines Schmer­zens­geldes von 400.000 Euro verurteilt.

CTG hätte innerhalb von spätestens 15-20 Minuten nach Beendigung der Aufzeichnung zur Kenntnis genommen werden müssen

Der Beklagte habe die Mutter des Klägers in der Gesamtschau grob fehlerhaft behandelt, so das Gericht. Der Beklagte habe es versäumt, das CTG innerhalb von spätestens 15-20 Minuten nach Beendigung der Aufzeichnung zur Kenntnis zu nehmen und auf eindeutige Pathologien zu sichten. Insoweit sei von einer nicht fachgerechten Verzögerung von 30 Minuten auszugehen. Aufgrund der Hochri­si­ko­kon­stel­lation - stummes (silentes) CTG und im Doppler-Ultraschall erkennbarer umgekehrter Blutfluss (Reverse Flow) in der Nabel­schnur­arterie - habe er die Mutter zudem schnellst­möglich, gegebenenfalls mit Hilfe eines Rettungswagens, in eine nahegelegene Entbin­dungs­klinik einweisen müssen und sie nicht zunächst nach Hause entlassen dürfen, damit sie von dort aus selbst die Klinik aufsuche. Außerdem habe es der Beklagte versäumt, der Mutter den Ernst der Lage und die Erfor­der­lichkeit, schnellst­möglich ein Krankenhaus aufzusuchen, hinreichend zu verdeutlichen. Durch diese Versäumnisse sei es zu einem weiteren Zeitverlust von jedenfalls 15 Minuten gekommen.

Verzögerung bei Entbindung für Hirnschaden mitursächlich

Aufgrund dieses grob fehlerhaften Behand­lungs­ge­schehens sei der Kläger mit einer Verzögerung von jedenfalls 45 Minuten entbunden worden, was für den bei ihm eingetretenen Hirnschaden jedenfalls mitursächlich geworden sei. Der aufgrund der grob fehlerhaften Behandlung nunmehr dem Beklagten obliegende Beweis dafür, dass der Hirnschaden auch ohne Behandlungsfehler eingetreten wäre, sei nicht erbracht.

Entstandene Schädigungen rechtfertigen Höhe des Schmer­zens­geldes

Durch die Sauer­stof­fun­ter­ver­sorgung habe der Kläger einen Hirnschaden erlitten, der mit schwersten Beein­träch­ti­gungen der Kommu­ni­ka­ti­o­ns­fä­higkeit, der selbst­be­stimmten Inter­ak­ti­o­ns­mög­lich­keiten sowie seiner körperlichen Beweglichkeit einhergehe. Für diese Schädigung sei ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zuzusprechen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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