21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Urteil02.02.2018

Bei Missachtung ärztlicher Empfehlungen kann Beweis­la­st­umkehr nach grobem Behand­lungs­fehler entfallenOLG Hamm zur Beweis­la­st­umkehr bei erheblichem Mitverschulden des Patienten

Die mit einem groben ärztlichen Behand­lungs­fehler verbundene Beweis­la­st­umkehr kann entfallen, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesund­heits­schaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungs­geschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden und änderte damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg ab.

Im zugrunde liegenden Fall verlangte die Klägerin aus Lippetal als Alleinerbin ihres im März 2015 im Alter von 45 Jahren verstorbenen Ehemanns vom beklagten Kranken­haus­träger aus Soest Schadensersatz wegen einer behaupteten fehlerhaften Behandlung ihres Ehemanns vor seinem Tode.

Patient verlässt Krankenhaus gegen ärztlichen Rat und lehnt spätere stationäre Aufnahme erneut ab

Der Hausarzt des Ehemanns wies diesen aufgrund des Verdachts auf eine "instabile Angina pectoris" im Februar 2015 in das Krankenhaus der Beklagten ein. Nach ersten Untersuchungen - es bestand auch in der Klinik der Verdacht einer koronaren Herzerkrankung (Erkrankung der Herzkranzgefäße) - verließ der Ehemann wenige Tage später gegen den ärztlichen Rat das Krankenhaus. Er äußerte seine Unzufriedenheit, dass am Wochenende keine weiteren ärztlichen Untersuchungen durchgeführt worden waren. Etwa zehn Tage später riet ihm der Hausarzt erneut zu einer dringenden Kranken­h­aus­be­handlung und wies ihn acht Tage später mit der Diagnose "Angina pectoris" in ein anderes Krankenhaus ein, in dem sich der Ehemann vorstellte und in vier Tagen einen Termin zur kardiologischen Abklärung vereinbarte. Eine unmittelbare stationärer Aufnahme lehnte ab. Noch vor dem vereinbarten Termin verstarb der Ehemann. Der Notarzt stellte als Todesursache "Herzversagen" fest. Eine Obduktion erfolgte nicht.

Klägerin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die Klägerin verlangte mit der Begründung, dass ihr Ehemann im Krankenhaus der Beklagten fehlerhaft behandelt worden sei, ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro, ca. 4.550 Euro Beerdi­gungs­kosten sowie Unterhalt für sich und die 1997 und 2002 geborenen Kinder der Eheleute in Höhe von monatlichen mindestens 5.000 Euro. Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Nach Anhörung eines medizinischen Sachver­ständigen hat der 26. Zivilsenat des Oberlan­des­ge­richts Hamm die Klage abgewiesen. Der Klägerin komme, so der Senat, aufgrund des ganz erheblichen Mitverschuldens ihres verstorbenen Ehemanns keine Beweislastumkehr zugute. Deswegen könne sie nicht nachweisen, dass ihr Ehemann infolge festzu­stel­lender Behandlungsfehler im Krankenhaus der Beklagten an einer Herzerkrankung verstorben sei.

OLG bejaht grundsätzliches Vorliegen grober Behand­lungs­fehler

Grundsätzlich habe die Anhörung des medizinischen Sachver­ständigen mehrere, jedenfalls in ihrer Gesamtheit auch als grob zu bewertende Behand­lungs­fehler bei der Aufnahme und weiteren Behandlung des Verstorbenen im dem Krankenhaus ergeben. Nach der zugrunde zu legenden Dokumentation des Krankenhauses sei es im Rahmen der Anamnese versäumt worden, bei dem Ehemann, der einen erhöhten Cholesterinwert gehabt habe, das Rauchverhalten und den genauen Zeitpunkt, zu dem der Patient zum zweiten Mal Thorax-Schmerzen verspürt habe, zu erfragen. Dabei sei der Patient fälsch­li­cherweise nicht als Risikopatient eingestuft und die Behandlung nicht darauf ausgerichtet worden. Deswegen sei es neben einer Reihe durchgeführter, gebotener Untersuchungen versäumt worden, einen zusätzlichen Blutwert (Troponinwert) zu bestimmen und ein weiteres EKG zu machen. Hinzu komme die versäumte Gabe eines blutver­dün­nenden, schmerz­lin­dernden Arzneistoffes (ASS). Dessen Gabe entspreche bei bestehendem Verdacht auf eine akute koronare Herzerkrankung dem medizinischen Standard.

Beweisaufnahme bringt keine Klarheit über tatsächliche Todesursache

Im Rahmen der Beweisaufnahme habe allerdings nicht geklärt werden können, ob der Patient überhaupt an einem Herzinfarkt verstorben sei und ob die festgestellten Behand­lungs­fehler hierfür mitursächlich gewesen seien.

Klägerin kommt wegen nachweislichem Fehlverhalten des Patiententrotz groben Behand­lungs­fehlers keine Beweis­la­st­umkehr zugute

Der fehlende Nachweis gehe zulasten der Klägerin, der trotz der groben Behand­lungs­fehler keine Beweis­la­st­umkehr zugutekomme. Eine solche scheide nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung (Bundes­ge­richtshof, Urteil vom 16.11.2004, Az. BGH VI ZR 328/03) aus, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachte, hierdurch eine mögliche Mitursache für seinen Gesund­heits­schaden setze und dazu beitrage, dass der Verlauf des Behand­lungs­ge­schehens nicht mehr aufgeklärt werden könne. Hiervon sei im vorliegenden Fall auszugehen: Der Ehemann der Klägerin habe sich nach dem ersten Kranken­haus­auf­enthalt - entgegen dem Rat seines Hausarztes, der ihn auf die Risiken hingewiesen habe - nicht erneut in stationäre Behandlung begeben, sondern lediglich einen Termin zur kardiologischen Abklärung in einem Krankenhaus vereinbart. Da er bis zur weiteren Untersuchung verstorben sei, habe er in erheblichem Maße durch seine stetige Weigerung, sich entsprechend dem ärztlichen Rat zu verhalten, dazu beigetragen, dass sein Herzleiden nicht weiter abgeklärt und behandelt werden konnte.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil25867

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI