24.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil09.07.2019

Von Dachpfannen ausgehende Blendwirkung ist nach Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­menschen im Einzelfall zu beurteilenOLG Hamm zur Blendwirkung von Dachpfannen

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass die Wesentlichkeit der Blendwirkung von Dachpfannen nicht schematisch, sondern nach dem Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­menschen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist. Dazu ist im Regelfall die Durchführung eines Ortstermins erforderlich.

Die Kläger und der Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls sind Eigentümer bebauter Nachba­r­grundstück in Menden. Das Grundstück des Beklagten befindet sich an der südlichen Grenze des Grundstücks der Kläger. Im Juni 2015 ließ der Beklagte das Dach seines Hauses mit hochglänzend glasierten Dachpfannen eindecken. Im Mai 2017 tauschte der Beklagte einen Großteil dieser Dachpfannen durch matt glasierte - sogenannte engobierte -Ziegel aus, nicht aber die im Bereich der Ortgänge und des Dachfirsts verlegten Dachpfannen.

Kläger beanstanden Reflexionen durch Dachziegel

Die Kläger behaupteten, dass es insbesondere in den Monaten April bis Oktober in der Zeit von 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr und bei Vollmond in den Wintermonaten zu starken Reflexionen des Sonnenlichts sowohl durch die hochglänzend als auch die matt glasierten Dachziegel komme. Hierdurch würden sie stark geblendet, weshalb sie ihren Garten sowie Wohn- und Esszimmer nur eingeschränkt "mit gesenktem Kopf" nutzen könnten. Aus diesem Grund verlangten sie von dem Beklagten, dass er Blendwirkungen, die von dem Dach seines Gebäudes ausgehen und ihr Haus betreffen, verhindern solle.

LG bejaht Blendwirkung durch Dachziegel im Zeitraum April bis Oktober

Das Landgericht Arnsberg gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Beklagten dazu, von den Dachpfannen ausgehende Blendwirkungen mit einer Leuchtdichte von 100.000 Candela pro Quadratmeter oder höher zu verhindern. Eine solche, nicht mehr zumutbare Blendwirkung gehe von den im Bereich der Ortgänge und dem Dachfirst verlegten hochglänzend glasierten Dachziegeln in dem Zeitraum April bis Oktober von 10.30 Uhr bis ca. 14.30 Uhr aus, wie der vom Gericht beauftragte Sachverständige festgestellt habe.

Maßgeblich für Beurteilung der Wesentlichkeit der Blendwirkung ist Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­menschen

Die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil, mit der sie vom Beklagten weiterhin verlangten, die von dem Dach seines Gebäudes ausgehenden und ihr Haus betreffenden Blendwirkungen insgesamt zu verhindern, hatte keinen Erfolg. Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied, dass das Landgericht zu Recht einen über die erfolgte Verurteilung des Beklagen hinausgehenden Anspruch der Kläger verneint habe. Zwar werde durch die vom Dach des Hauses des Beklagten ausgehenden Licht­re­fle­xionen das Grundeigentum der Kläger beeinträchtigt. Allerdings seien die Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu verpflichtet, die von den engobierten Dachpfannen ausgehenden Licht­re­fle­xionen - gemäß § 1004 Abs. 2 BGB - zu dulden, weil es sich um unwesentliche Beein­träch­ti­gungen - im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB - handele. Verbindliche Richtwerte, bei deren Überschreitung eine wesentliche Beein­träch­tigung indiziert wäre, gebe es - soweit ersichtlich - nicht. Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit sei daher das Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­menschen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls wie die Dauer der Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nutzung des betroffenen Grundstücks abzustellen sei. Deshalb könne nicht schematisch von einer Erheblichkeit ab einer Lichtstärke von 100.000 Candela pro Quadrat­me­ter­aus­ge­gangen werden, wie sie in vereinzelten landes­recht­lichen Regelwerken zu der zulässigen Lichtstärke von Photo­vol­taik­anlagen festgelegt sei, wenngleich bei deren Erreichen regelmäßig eine Wesentlichkeit vorliegen dürfte.

Wesentliche Beein­träch­tigung durch Dachpfannen im vorliegenden Einzelfall nicht ersichtlich

Nach den Feststellungen des Sachver­ständigen sowie den Eindrücken bei einem vom Gericht im Juni 2019 durchgeführten Ortstermin könne eine wesentliche Beein­träch­tigung durch die engobierten Dachpfannen in dem vorliegenden Einzelfall nicht angenommen werden. Einen solchen Ortstermin hatte das Oberlan­des­gericht - anders als noch das Landgericht - hier für notwendig gehalten, um sich einen eigenen, fundierten Eindruck vor Ort von den Auswirkungen der Lichtreflexe zu verschaffen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online (pm/kg)

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